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Die Wirtschaft liegt weiterhin brach.

Foto: Reuters/Alkis Konstantinidis

Wien - Griechenlands Wirtschaftsleistung wird 2013 voraussichtlich um 23 Prozent unter ihrem bisherigen Höchstwert im Jahr 2008 liegen. Damit sei Griechenlands Aufholprozess nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern habe sich sogar umgekehrt, so Wifo-Chef Karl Aiginger in einem aktuellen Wifo-Arbeitspapier.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Griechen ist lauf Wifo von 1960 bis 2008 von 60 Prozent des EU-15-Wertes bis auf 84 Prozent gestiegen. 2012 sei es kaufkraftbereinigt wieder um 28 Prozent unter dem Durchschnitt der EU-15 gelegen. "Die Kluft war damit zwar noch kleiner als 1960 und auch etwas kleiner als für Portugal, aber dennoch hat sich der Einkommensrückstand deutlich vergrößert", so Aiginger. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 2008 bis 2012 von 7,7 Prozent auf 19,7 Prozent und dürfte 2013 weiter steigen.

Die Arbeitskosten zogen in Griechenland laut Wifo zwischen 2000 und 2008 um 7 Prozent stärker an als im Durchschnitt der EU-15. Dabei waren die Lohnsteigerungen nicht stärker als zuvor, aber die Produktivitätssteigerungen kamen zum Stillstand. Hier war die Verringerung der Direktinvestitionen ein wichtiger Faktor. Seit 2008 wurden die Arbeitskosten so stark gesenkt, dass sie 2012 wieder um 4 Prozent niedriger waren als 2000. Nur gegenüber Deutschland, wo besonders starke Lohnzurückhaltung geübt wird, waren die Lohnkosten noch um 9 Prozent höher als 2000. Das Defizit der Leistungsbilanz sank von 18 Prozent des BIP im Jahr 2008 auf 8 Prozent 2012. Die Außenhandelsbilanz wäre nahezu ausgeglichen, wenn Griechenland nicht relativ hohe Rüstungsimporte und Erdölimporte aufweisen würde und die Tourismuseinnahmen nicht relativ zur Wirtschaftsleistung seit 2000 geschrumpft wären, so das Wifo. Der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung verringerte sich seit den 1970er-Jahren von 16 Prozent auf 9 Prozent im Jahr 2008.

Von den für Griechenland reservierten Mitteln des Europäischen Investitionsfonds wurden nach einer Studie der Harvard University im Jahr 2012 13 Mrd. Euro (bzw. 3 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung) nicht verwendet, das heißt, sie wurden entweder nicht zugeteilt oder nicht abgerufen. Die Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB), die Mitte 2012 beschlossen und durch eine Kapitalerhöhung ermöglicht wurden, wurden bis Ende 2012 ebenfalls nicht wirksam, so das Wifo. 

Trendwende erfodert Strategiewechsel

Die griechische Wirtschaft befindet sich noch nicht über dem Berg, so das Wifo weiter. "Die von der griechischen Zentralbank im Jänner angedeutete Möglichkeit, Griechenland habe die schwersten Rückschläge schon hinter sich, kann ohne einen Kurswechsel in der Konsolidierungspolitik und ohne stärkere Investitionshilfen und Direktinvestitionen in Griechenland nicht nachvollzogen werden", so Aiginger.

"Ich glaube, das Schlimmste ist vorüber. Wir können optimistischer sein", hatte Ende Jänner der griechische Nationalbankchef Giorgos Provopoulos gesagt.

Eine Trendwende ohne Strategiewechsel und Hilfe durch europäische Partner hält Aiginger nicht für möglich. Griechenland müsste selbst verstärkt aktiv werden und konkurrenzfähige Sektoren in der Industrie und im Dienstleistungsbereich ausbauen, die Tourismussaison verlängern und die Angebote mit Gesundheitsleistungen verbinden, schlägt der Wifo-Chef vor.

Weiters müssten die administrativen Strukturen geändert und die Steuereinhebung reformiert werden. Jugend und Frauen müssten in Verwaltung, Politik und Wirtschaft und vor allem im Reformprozess eine stärkere Rolle einnehmen.

"Kern einer Wachstumsstrategie muss sein, Neugründungen zu forcieren, Direktinvestitionen attraktiv zu machen (etwa durch Schaffung von Industriezonen in der Nähe der Häfen), Industriecluster zu bilden (etwa im Pharmabereich) oder Wind- und Solartechnologie vorrangig zu nutzen", so Aiginger.

Mögliche Hilfe aus Österreich

Österreich könnte neben administrativer Hilfe und Beratung auch in Sparten mit Facharbeitermangel temporär Arbeitskräfte aus Griechenland einsetzen, so Aiginger weiter. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland sei das kein Entzug von Qualifizierten ("Brain Drain"). Die Rückkehr nach drei bis fünf Jahren könnte mit einer Initiative zur Betriebsgründung - eventuell mit einem österreichischen Partner - in Griechenland kombiniert werden, sodass dort die Beschäftigung steigt und österreichische Exporte ausgelöst werden. "Dies wäre eine Win-Win-Situation für Österreich und Griechenland", meint der Wifo-Chef. (APA, 5.2.2013)