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Dieter Imboden: "Ich sage nicht, dass unser System der Weisheit letzter Schluss ist. Das wäre anmaßend."

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STANDARD: Sie sind an der ETH Zürich emeritiert, auch Ihre Amtszeit als Forschungsratspräsident des Schweizerischen Nationalfonds ist vor kurzem zu Ende gegangen. Nun, im Alter von 69 Jahren, werden sie Aufsichtsratsvorsitzender des Wissenschaftsfonds FWF. Warum tun Sie sich das an?

Imboden: Das ist eine berechtigte Frage. Eigentlich wollte ich nach dem Ausscheiden aus dem Nationalfonds auch keine derartigen Aufgaben mehr übernehmen. Dann kam aber FWF-Präsident Christoph Kratky, den ich seit langem kenne, und fragte mich, ob ich dazu bereit wäre. Und ich konnte nicht Nein sagen. Das war natürlich inkonsequent, andererseits ehrt mich die Anfrage und reizt mich diese Aufgabe, zur Stärkung der Grundlagenforschung in Österreich beizutragen. Sie wird mich vermutlich nicht so stark ausfüllen, dass ich daneben nicht zu meinen eigentlichen Plänen für die nächsten Jahre komme. Ich möchte viel lesen und wissenschaftlich-philosophische Texte schreiben - ohne mich jetzt auf ein Programm festlegen zu lassen.

STANDARD: Welche Aufgaben hat denn ein Aufsichtsrat im Wissenschaftsfonds FWF?

Imboden: Es gibt die gesetzlichen Aufgaben - wie Beschlussfassung über den Rechnungsabschluss. In diesem Jahr geht es zunächst um die Wahl eines neuen Präsidenten oder einer neuen Präsidentin. Christoph Kratky ist seit 2005 im Amt. Eine Verlängerung ist aufgrund der Statuten nicht möglich. Wir werden diesen Job ausschreiben und Leute, die infrage kommen, zu Gesprächen einladen. Die Delegiertenversammlung wird dann aus unserem Dreiervorschlag wählen. Das ist die dringlichste Aufgabe. Im Juni wird nämlich schon gewählt. Der Job wird auch in der Neuen Zürcher Zeitung und in internationalen Fachmagazinen inseriert. Der Kratky-Nachfolger, die Kratky-Nachfolgerin muss also nicht unbedingt aus Österreich kommen.

STANDARD: Ihr Heimatland, die Schweiz, wird hierzulande als Benchmark herangezogen, weil sie als kleines Land wie Österreich dreimal so viele Mittel für die Grundlagenforschung zur Verfügung hat. Man könnte böswillig und in Anlehnung an die derzeiti- gen Ski-Weltmeisterschaften sagen, Sie waren beim Wissenschaftsweltmeister, und jetzt sind Sie bei einem Platzfahrer außerhalb der Medaillenränge.

Imboden: Österreich hat geistig sicher nicht weniger Ressourcen als die Schweiz - es gibt viele Top-Leute im Land, etliche arbeiten an ausländischen Universitäten, denn Forschung kennt zum Glück keine Landesgrenzen. Entscheidend ist aber: Die österreichische Forschung will aufholen. Vielleicht kann ich dazu beitragen, gerade weil ich aus der Schweiz komme, wo die Grundlagenforschung großgeschrieben wird, größer als in Österreich. Bei uns ist die Kommission für Technologie und Innovation KTI, die Anwendungsforschung fördert, die kleine Schwester des Nationalfonds, der die Grundlagenforschung unterstützt. In Österreich ist es umgekehrt. Da muss offenbar das Verständnis für die Grundlagenforschung gefördert werden.

STANDARD: Die von Ihnen angesprochene Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt allerdings auch die Universitäten.

Imboden: Ja, nur ist diese Forschung direkt auf eine kommerzielle Anwendung ausgerichtet. Bei Grundlagenforschung darf nicht der Gedanke im Vordergrund stehen, dass ein investierter Euro hineingesteckt wird und zwei dabei herauskommen. Gegen dieses Ziel ist nichts einzuwenden, nur greift diese Vorstellung zu kurz. Die Industrie erhält in der Schweiz überhaupt keine öffentlichen Mittel für Forschung. Das KTI unterstützt Universitäten, wenn sie eine Kooperation mit der Wirtschaft eingegangen sind - nicht die Unternehmen, die außerdem 50 Prozent der Projektkosten übernehmen müssen. Ich sage nicht, dass unser System der Weisheit letzter Schluss ist. Das wäre anmaßend. Es ist anders als jenes in Österreich, und es hat eine starke Wirtschaft und starke Universitäten geschaffen.

STANDARD: Die Mehrheit der Unternehmen in Österreich sind Klein- und Mittelbetriebe. Das Argument der Politik für eine Unterstützung ihrer Forschung ist: Sie können es sich ohne öffentliche Hand nicht leisten. Wie stellt sich die Situation in der Schweiz dar?

Imboden: Man darf im Fall der Schweiz nicht nur an die großen Unternehmen wie Novartis oder Nestlé denken. Auch bei uns gibt es hauptsächlich Klein- und Mittelbetriebe, die agieren aber offensichtlich mit mehr Mut, wenn es um Forschung geht.

STANDARD: Es heißt hierzulande oft: kleines Land, nicht mehr Möglichkeiten. Fehlt es in Österreich nur an Mut oder vielleicht auch am Selbstvertrauen?

Imboden: Ich kenne nur das Wissenschaftssystem Österreichs. Da gibt es ein gesundes Selbstvertrauen - auch im Wissenschaftsfonds FWF. Was in vielen Bereichen fehlt, ist die langfristige Unterstützung durch die Politik. In den Wissenschaften kann man nur mit langem Atem etwas erreichen - wie das Beispiel der ETH Zürich und der ETH Lausanne zeigt. Dieser lange Atem wird nun zum Beispiel dem IST Austria in Klosterneuburg gewährt - als Bekenntnis und als Anfang finde ich das gut. Heute würde es sicher nicht mehr passieren, dass das Land über Nacht aus einem Forschungsverbund wie dem Cern austreten will. Da hat man dazugelernt.

STANDARD: Von einer langfristigen guten Dotierung träumen aber auch die heimischen Unis. Was brauchen sie, um international in Rankings besser abzuschneiden?

Imboden: In der Schweiz haben die Erfolge der ETHs auch einen Aufschwung der kantonalen Universitäten initiiert. Diese eifern den Vorbildern nach. Dieser Konkurrenzkampf ist positiv für den gesamten Wissenschafts- und Lehrbetrieb. In Österreich scheint es solche Spitzen-Unis noch nicht zu geben. In einzelnen Bereichen sind die Universitäten hier sicher sehr gut und international mit den besten Hochschulen vergleichbar, aber sie bräuchten mehr Unabhängigkeit, auch in der Personalpolitik, um echte Leuchttürme zu werden. Österreichs Universitäten und Forscher haben ein großes Potenzial für eine dynamische Entwicklung - man muss sie nur ihren eigenen Weg finden lassen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 06.02.2013)

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Wissen: Ein neuer Rat

Der Strukturbiologe Christoph Kratky (66) ist seit 2005 Präsident des Wissenschaftsfonds FWF. Nachfolger für ihn und die Vizepräsidenten werden bis Mitte März gesucht. Im neu zusammengesetzten Aufsichtsrat des FWF sitzen neben Imboden auch Gerhard Grund, Mitglied des Vorstandes der Raiffeisen Centrobank AG, Juliane Besters-Delger, Slavisches Seminar der Uni Freiburg, Friedrich Faulhammer, Generalsekretär des Wissenschaftsministeriums, Peter Fratzl, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, die Neurologin Hannah Monyer (Uni Heidelberg), die Rechtswissenschafterin Andrea Schenker-Wicki, Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten, sowie Hans Sünkel, ehemaliger Rektor der TU Graz. (red)