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Courbet-Experte Jean-Jacques Fernier präsentiert seinen Rekonstruktionsversuch von "L'Origine du Monde", der - siehe etwa den Winkel zwischen Hals und Körper - nicht so recht überzeugend geriet.

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Als "Die Freiheit führt das Volk" noch unbeschmiert war: Präsident Francois Hollande, Kulturministerin Aurelie Filippetti und ein Ex-Minenarbeiter vor dem Gemälde bei der Eröffnung von "Le Louvre-Lens".

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Paris / Lens - Aufregung um zwei der berühmtesten französischen Gemälde des 19. Jahrhunderts gab es am Donnerstag: Das Magazin "Paris Match" veröffentlichte formatfüllend eine Theorie, wonach "L'Origine du monde" ("Der Ursprung der Welt") von Gustave Courbet, das einen nackten weiblichen Torso darstellt, beschnitten sei - und das zugehörige Porträt gefunden. Und am Abend hat eine Besucherin Eugène Delacroix' "Die Freiheit führt das Volk" in der Louvre-Filiale in Lens mit Filzstift beschmiert - ein Anschlag, der allerdings für das Gemälde keine gravierenden Folgen haben dürfte.

War ein berühmter Torso ursprünglich keiner?

Laut "Paris Match" wurde Courbet-Experte Jean-Jacques Fernier  im Januar 2010 von einem anonym bleiben wollenden Sammler auf ein unsigniertes Porträt aufmerksam gemacht. Der Sammler mit dem Decknamen "John" gab sich nach Nachforschungen davon überzeugt, dass darauf  Joanna Hifferman dargestellt ist, die zwischen 1861 und 1868 häufig als Modell und Muse für James McNeill Whistler und Gustave Courbet gearbeitet hatte. Bereits öfters vermutet wurde, dass Hifferman auch das Modell für "L'Origine du monde" war, einer 1866 entstandenen Auftragsarbeit für den osmanischen Diplomaten und Kunstsammler Khalil Bey.

Nach anfänglicher Skepsis hätte Fernier das Porträtgemälde zur Analyse in ein Labor geschickt und teilt nun die Auffassung, dass das Courbet-Gemälde ursprünglich größer war und der Kopf von Joanna Hifferman abgeschnitten wurde. Das Pariser Musée d'Orsay, wo das Gemälde seit 1995 hängt, wollte sich vorerst nicht zu dem Magazinartikel äußern. Kunstexperten zeigten sich zurückhaltend.

Mit gutem Grund: Denn seit den Pariser Salondebatten der Entstehungsjahre ist das Gemälde in seiner jetzigen Form hochberühmt. Die Darstellung eines weiblichen Unterkörpers samt Genitalien diente zahlreichen Schicklichkeits- und Pornographie-Debatten als Argument pro und contra - in den abgelaufenen Jahren etwa dank Facebooks Zensurpolitik; eine Klage wurde eingebracht. Zugleich war das Gemälde für über ein Jahrhundert eines der Mythen der Malerei, mit lückenhafter Besitzgeschichte, viel beschrieben und zitiert, aber von der Öffentlichkeit gründlich versteckt aufbewahrt, so 1910 bis 1947 in Budapest, dann von 1955 bis zu dessen Tod 1981 in der Privatsammlung des Psychoanalytikers Jacques Lacan.

Geld ist jedenfalls ein wesentlicher Faktor der Debatte: Laut "Paris Match" könnte das für 1.400 Euro in einem Antiquitätenladen in Paris erworbene Porträt, sobald es als mit dem Courbet-Gemälde als verknüpft gilt, bis zu 40 Millionen Euro wert sein.

"AE911"-Anschlag auf die "Freiheit"

Wie der Louvre-Lens mitteilte, habe eine 28-jährige Frau am Donnerstag vor Schließung des Museums  mit einem schwarzen Filzstift auf dem riesigen Ölgemälde "Die Freiheit führt das Volk" herumgekritzelt. Sie sei sofort von einem Wächter und einem anderen Besucher gestoppt und später von der Polizei  festgenommen und verhört worden.  

Die Fahnder prüfen, ob das auf das Gemälde geschmierte Kürzel "AE911" in Zusammenhang mit einer Internet-Petition zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001  steht. Unter dem Motto "AE911" fordern deren Unterzeichner den US-Kongress zu einer "wirklich unabhängigen Untersuchung" auf. Der Bürgermeister von Lens, Guy Delcourt, geht allerdings davon aus, dass die aus Nordfrankreich stammende Frau psychisch krank ist und das Gemälde nicht vorsätzlich zerstören wollte. Auch der zuständige Staatsanwalt von Bethune, Philippe Peyroux, schloss dies nicht aus und ordnete eine Untersuchung durch einen Psychiater an. Es könne sein, dass die Frau in "einem Anfall von Wahn" gehandelt habe, es könne aber auch sein, dass hinter der Tat "irgendeine Forderung" stehe: "Wir müssen herausfinden, was diese Inschrift für sie bedeutet."

Nach Angaben des Leiters der Gemäldeabteilung des Louvre, Vincent Pomarede, kann die rund 30 Zentimeter breite und sechs Zentimeter hohe Kritzelei noch am Freitag leicht entfernt werden. Das Gemälde sei durch eine sehr dicke Lackschicht geschützt, sagte der Experte nach Begutachtung des Werkes: "Ich bin erleichtert." Die Gemäldeabteilung des Louvre in Lens blieb lediglich einen Tag lang für Besucher geschlossen.

Delacroix' "La Liberté guidant le peuple" ("Die Freiheit führt das Volk") ist eines von mehreren Hauptwerken, die der berühmte Pariser Louvre seiner im Dezember neu eröffneten Zweigstelle im nordfranzösischen Lens für ein Jahr geliehen hat. Das 1831 am Salon de Paris der Öffentlichkeit vorgestellte Monumentalwerk ist inspiriert von der erfolgreichen bürgerlichen Julirevolution von 1830. (APA, red, 7.2.2013)