Was ist das? Man fährt 265 km/h und kommt trotzdem nicht vom Fleck? Im Juni eröffnet Mercedes einen neuen Windkanal, er ist auch der größte seiner Art

Da ist einerseits die Sache mit dem Alphatier. BMW hat 2009 sein Aerodynamisches Versuchszentrum (Bild) eröffnet, in deren Windkanälen Orkane bis 300 km/h darstellbar sind - hervorgerufen unter anderem durch Gebläse mit acht und 6,3 Metern Durchmesser.

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Die kontert Mercedes nun mit einem Neun-Meter-Gerät, und steht man wenige Meter davor, wie dieser Tage beim Technologieplauscherl der Fall, kommt man sich plötzlich klein vor, ganz klein.

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Ja, und andererseits geht es natürlich keineswegs darum, wer nun den Größeren hat, sondern um Schlüpfrigkeiten höchst wünschenswerter Art, Brüderlein fein: Je weniger Widerstand ein Fahrzeug dem Medium Luft entgegensetzt, desto geringer der Verbrauch. Salopp formuliert: Wer Wind sät, wird sparsame Autos ernten.

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Untergebracht ist der "Aeroakustik"-Kanal im Entwicklungszentrum Sindelfingen, dort stehen auch schon die beiden Klima-Kanäle (nein, das sind keine Wettersender, sondern dort werden extrem hohe und niedrige Temperaturen simuliert).

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Ab Juni komplettiert die neue Anlage das Ensemble, die der Hersteller sich einen nicht näher spezifizierten "zweistelligen Millionenbetrag" hat kosten lassen.

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2009 segnete der Vorstand das Projekt ab, was auch den Planungsbeginn signalisiert. Anfang 2011 begannen die Bauarbeiten, und ab Sommer werden dann die Techniker und Ingenieure Äolus' Reich beziehen, für 60 Messungen täglich.

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Bis zu 265 km/h reichen die Möglichkeiten, die Hauptarbeit fällt indes bei 140 km/h an, und die Anlage leistet 5,5 Megawatt, eine wahre Energievernichtungsmaschine, so gesehen.

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Was hinsichtlich Aerodynamik noch drin ist, zeigt 1.) der seit Jahren anhaltende Trend, selbst bei SUVs ist die cw-Zielmarke von 0,30 nicht mehr illusorisch, und demonstriert 2.) ein konkretes Beispiel: der im April startende CLA.

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Bei diesem 4-Türer-Coupé der A-Klasse habe man sich, erläutert Aerodynamik-Experte Patrick Höfer, jeden Bauteil genau angesehen und speziell am Unterboden und bei den Radhäusern sowie bei den Heckverwirbelungen- "Am Heck spielt die ganze Musik bei der Aerodynamik" - Maßnahmen gesetzt, die dazu beitrügen, einen neuen Weltrekord bei Serienfahrzeugen zu markieren.

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cw 0,22, das ist eine echte Ansage und schlägt sich postwendend positiv auf den Verbrauch nieder, mehr davon bei der Fahrvorstellung im März.

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"Aeroakustik"-Kanal? Der Terminus signalisiert, dass Mercedes mit diesem neuen Riesenspielzeug mehr erreichen will als nur windschlüpfrige Autos und Wege, Seitenscheiben, Spiegel und Heckscheibe bei Regen schmutzfrei zu halten. Nein, es geht um Windgeräusche, also um die Geräuschkultur im Innenraum, der bei Mercedes noch mehr zum Ort, ja zum Hort der Ruhe werden soll.

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Darum hat man sich enorme Mühe gegeben, den Windkanal extrem leise hinzukriegen, um ganz genau hinhören zu können. Würde man sich zufällig in die riesige Messhalle verirren - Kernstück der 19 m langen Messstrecke ist ein 90-Tonnen-Laufband-Waage-System mit Drehscheibe -, hörte man kaum, dass Äolus' wissbegierige Jünger wieder einmal die Winde entfesselt haben, und man würde vom Winde verweht wie ein loses Blatt im Herbst.

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Conclusio: Mit dem neuen Windkanal demonstriert Mercedes eindrucksvoll aerodynamischen Führungsanspruch. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 8.2.2013)

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