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Nick Cave (hier 2011 bei einem Konzert in Portugal) gibt sich nun altersmilde.

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Wien - Wenn es ein Künstler nach 30 Jahren noch schafft, Teilen seines Publikums erheblich auf die Nerven zu gehen, muss es sich nicht zwangsläufig um schlechte Kunst handeln. Im Falle Nick Caves und seiner Begleitband The Bad Seeds ist es einfach so, dass man auch beim neuen, mittlerweile 16. Album seiner Solokarriere den Eindruck bekommt, seine dunkle Balladenkunst schon einmal besser erlebt zu haben. Zumindest bis zu den 1997 erschienenen sehr, sehr ruhigen Liedern auf The Boatman's Call lieferte Cave erstklassiges Material.

Möglicherweise hatte sich danach auch der Bedarf nach auf Bluesbasis basierender Musik etwas gelegt, die von vor ihrer Zeit in Maßanzügen gealterten Buben mit schwarzhumorigen lyrischen Gewaltfantasien und einer Vorliebe für biblische Bilder stammt. Vielleicht hatte sich der Schmäh seit Caves frühen Höhepunkten mit der selbstzerstörerischen Kraft seiner frühen Bands The Boys Next Door und The Birthday Party zu oft wiederholt. Es blieb die Erinnerung an meisterliche Klassiker des schwarzgekleideten Existenzialismus zwischen Bibelstudium, Nihilismus und einseitiger Ernährung in Berliner Postpunklokalen wie From Her To Eternity, The Firstborn Is Dead oder The Good Son.

In den Nullerjahren spielte Cave zwar nach wie vor intensive Konzerte mit Best-of-Setlists. An fade Routine wie No More Shall We Part, Nocturama oder zuletzt Dig!!! Lazarus, Dig!!! von 2008 mögen sich heute aber nicht einmal noch die treuesten Verehrer erinnern. Die Gründungsmitglieder Blixa Bargeld und Mick Harvey hatten die Band gelangweilt und enttäuscht verlassen. Warren Ellis, der von Cave verehrte Mann an der Geige und Feedbackmandoline, mit dem er auch immer wieder Filmmusik komponiert, übernahm das Ruder.

Die darauffolgende Zeit mit dem aus Bad-Seeds-Musikerbeständen gegründeten Quartett Grinderman und dessen zwei mediokren Alben, für das sich Cave die Bluesrockgitarre umhängte, wollte alte rabiate Auszuckerzeiten mit The Birthday Party beschwören. In Wahrheit war Grinderman die Manifestation einer veritablen Mittlebenskrise, inklusive latent bei den Bad Seeds immer schon mitschwingender schmieriger Altmännerwitze und eines recht drastisch zur Schau gestellten Bestrebens, noch immer voll im Saft zu stehen. Meine Herren, war das unnötig.

Grinderman sind zumindest im Studio fast Geschichte - inklusive ihres mittransportierten Betriebszynismus, dass das Geschäft am besten funktioniert, wenn man sich zum Affen macht. Nick Cave hat die musikalischen Geschäfte vom alten Hauptarrangeur Mick Harvey an Warren Ellis übergeben. Das jetzt vorliegende Album Push The Sky Away ist zurückhaltend mit Geige, Bass, Keyboards, Glockenspiel und diversen Violin- und flächigen Gitarrenloops angelegt und nach The Boatman's Call das ruhigste in Caves Karriere. Es finden sich hübsche Midtempolieder wie We No Who U R oder Jubilee Street und Mermaids darauf, die die Stammkundschaft zufriedenstellen sollten.

Alt, kalt, griesgrämig

Textlich werden jede Menge Wassermetaphern des im britischen Seebad Brighton lebenden Cave geboten. Die nackte Frau auf dem Cover ist Ehegattin Susie Bick. Textlich geht es in recht einfach gehaltenen Bildern um den Blick des alten Mannes auf am Strand knutschende junge Leute, die behaupten, sie stünden voll im Leben. Jeder weiß, auch das wird sich einmal geben: "You grow old and you grow cold." Der Rest der nicht unbedingt zwingenden Lieder weist darauf hin, dass Cave heuer live vor allem altes Zeug spielen wird.

Das einzige Österreichkonzert findet heuer am 17. August. am FM4-Frequency-Festival in St. Pölten statt. Knutschende junge Leute haben ja nicht zwangsweise etwas gegen griesgrämige alte Männer.  (Christian Schachinger, DER STANDARD, 15.2.2013)