Harald Mahrer (Hg.): "10 Jahre Schwarz-Grün. Eine Spekulation" , Julius Raab Stiftung - Edition Noir, Wien 2013, 94 Seiten, gratis

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 Vor zehn Jahren, in der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 2003, scheiterten die vielbeachteten Koalitionsverhandlungen der damals erstarkten ÖVP mit den Grünen - es folgten vier weitere Jahre Schwarz-Blau, zum Schaden der Schwarzen wie auch der Blauen. Und mittlerweile gibt es die schwarz-grüne Option auch rechnerisch nicht mehr.

Harald Mahrer von der Julius-Raab-Stiftung findet das schade - und hat neun Autoren eingeladen, eine fiktive Festschrift zu schreiben: Wie würde die Bilanz einer damals eingegangenen ÖVP-Grünen-Koalition aussehen? Und die Autoren nutzten die Gelegenheit, kontrafaktische Geschichtsschreibung zu betreiben: Die meisten meinen, dass die ÖVP bei einem Gelingen der schwarz-grünen Koalition wohl heute noch stärkste Partei wäre - und dass zwischen schwarzen und grünen Politikern weitestgehende Übereinstimmung herrschen würde. Und wo das nicht der Fall wäre, würde gelten, was der Präsident des Ökosozialen Forums Stephan Pernkopf formuliert: "Der schwarz-grüne Diskurs ist keine Wellness-Veranstaltung, sondern eine substanzielle inhaltliche Auseinandersetzung."

Manchmal soll die positive Kraft des Verhinderns nicht unterschätzt werden. Vor allem aber hätte es positive Kräfte gegen den Populismus gegeben. Alexander Van der Bellen, damals Hauptverhandler der Grünen, sieht als einen der wesentlichen Unterschiede zur tatsächlichen Entwicklung, dass die Grünen die ÖVP in ihrer Haltung zur EU positiv unterstützt hätten. Wolfgang Schüssels wesentlichstes Projekt, die Pensionsreform, hätten die Grünen wohl mitgetragen, aber in einer veränderten Form. In der Energiepolitik wäre man einander bei der Umsetzung einer ökosozialen Steuerreform näher gekommen. Und die Eurofighter, einer der großen Stolpersteine? Deren Kauf wäre wohl abgeblasen worden, er war 2003 noch nicht fixiert. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 15.2.2013)