Am Montag war der Landeshauptmann des Burgenlands, Hans Niessl (SP), in Budapest, um Nachbarschaftsprojekte vorzuverhandeln, die demnächst in Förder-Brüssel eingereicht werden müssen. Kaum war Niessl wieder daheim, rüffelte ihn der grüne Landtagsabgeordnete Michel Reimon, weil er Ungarns Premier Viktor Orbán in Sachen Menschenrechte nicht die Leviten gelesen habe.

Das ist, 'tschuldigung schon, hanebüchen. Und es verleidet einem durchaus die politische Debatte, wenn - nicht nur hier, sondern geradezu inflationär - ordentliche pragmatische Politik klein- oder gar schlechtgeredet wird mit dem Hinweis aufs Fundamentale. Und dabei en passant ein paar Marginalien vergessen werden: dass das EU-Mitglied Ungarn, trotz allem, ein befreundeter Staat ist und - das vor allem - ein Nachbar. Letzteres - und nichts mehr - fällt in die Agenda des burgenländischen Landeshauptmanns.

Die Grenze zwischen Kritisieren und Kritikastern verläuft dort, wo der gediegene Streit zum bloßen Zank wird, die politische Rede zum Gerede. Es gibt genug Kritikpunkte an Hans Niessl, und Michel Reimon hat sie dankenswerterweise immer wieder vorgebracht. Niessl vorzuwerfen, er komme seinen Aufgaben als Landeshauptmann nach - und nicht jenen eines Außenministers oder EU-Kommissars -, ist allerdings ein wenig, nun ja: herausgerutscht. Manchmal - diese Lektion ist ja auch für Journalisten so schwer zu lernen - wär's besser, den Mund gehalten zu haben. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 15.2.2013)