"Manchmal ändert sich die Stimmung am Himmel und im Haus mehrmals täglich." Annette Lutz in ihrem Haus am Pfänderhang über Bregenz.

Foto: Christian Grass

Die Bregenzer Modedesignerin Annette Lutz wohnt und arbeitet nach den Prinzipien des Fair Trade. Wie es sich in ihrem Wohn- und Atelierhaus hoch über dem Bodensee lebt, erzählte sie Jutta Berger.

"Wir sitzen hier ein bisserl wie in einem Horst. Direkt neben uns ist ein Baum, da wohnen die Mäusebussarde, und etwa so kommen wir uns auch vor. Wohl geborgen, aber dem Wald zugehörig. Zuerst dachten wir, der Ort sei ideal wegen der Sicht über die Stadt und den See, jetzt ist uns der Wald aber genauso wichtig.

Unser Haus steht nach drei Seiten frei, es liegt in der Grünzone, weil hier früher schon mal ein Haus stand. Der Altbau war ein Fertigteilhäuschen aus den Achtzigerjahren. Das hatte ein Bauernsohn anstelle des elterlichen Hofes errichtet. Aus ökologischen Gründen wollten wir kein weiteres Grundstück verbauen.

Wir haben lange nach diesem Platz gesucht, durften das Haus dann vor 15 Jahren kaufen. Fast fünf Jahre haben wir im alten  Haus gewohnt und uns vorgestellt, wie das neue Haus sein sollte. In allen Jahreszeiten haben wir getestet, wie es sich hier am schönsten wohnt. Das Ergebnis war: Wir wollen Teil des Waldes werden.

Dann hat Philip – ich glaub es war der fünfte Entwurf  – dieses Haus, ein Niedrigenergiehaus, geplant. Wir haben den ersten Stock quasi geköpft und das neue Stockwerk draufgesetzt. Den alten Teil haben wir mit einer vollkommen neuen Hülle versehen. Das Haus sollte sich hier einfügen, auch äußerlich. Wie ein Tannenzapfen, der altert. Deshalb ist es verschindelt.

Wir wohnen ganz in Holz, sozusagen als Hommage an den Wald. Außen und innen haben wir Weißtanne als Material gewählt, sogar für den Boden. So ein Weichholzboden hat zwar gewisse Nachteile, aber wir hatten da einen Stamm gefunden, der uns so gut gefallen hat. Er war lange gelagert, man konnte ihn in der ganzen Breite konisch zuschneiden. Unserem Boden sieht man an, dass er altert, und das soll so sein.

Durch die großen Glasflächen hat man das Gefühl, draußen zu leben. Auch wenn es schüttet oder blitzt, fühlt man sich rundum wohl. Es ist kaum zu glauben, wie sich die Stimmung täglich oder auch mehrmals täglich ändert. Durch diese Aussicht ist der Küchenplatz im Zentrum des Raumes einfach genial.

Das Haus ist so konzipiert, dass hier alle fünf und auch noch Freunde sein können. Das Wohnzimmer ist das Zentrum – und Spielzimmer! Einen Fernseher gibt es nicht, aber ab und zu Heimkino. Die Kinderzimmer sind eher klein, dafür haben die Kinder viel Freiraum rund um das Haus, beispielsweise die Tischlerwerkstatt unter der Terrasse, die von allen rege genutzt wird. Die Kinder haben drei Baumhäuser und fragen schon den Nachbarn, ob man von ihm vielleicht Bäume pachten könnte, für weitere Baumhäuser. Einige Tiere des Waldes wohnen quasi bei uns. Den Mäusen hat's früher in den Holzwänden gut gefallen, doch seit die Katze Minou hier wohnt, sind sie ausgezogen.

Bei der Einrichtung ist mir ein Mix aus Neuem und Gebrauchtem wichtig. Am liebsten hätte ich alles, was neu angeschafft werden musste, selbst entwickelt und entworfen. Ganz ist das nicht gelungen. Esstisch, Stühle, das große Sofa und das Schaukelsofa sind Entwürfe von uns. Die Lampen aus gewickeltem Metall hat Florian Harmer, ein befreundeter Wiener Designer, entworfen. Die Erbstücke haben wir selbst restauriert. Und dann gibt's Dinge vom Altwarenhändler oder aus dem Brockenhaus. Das ist eine Art Trödelladen. Lauter Fundstücke, die eine Geschichte haben.

Als wir das dritte Kind bekommen haben, haben wir umgebaut und ein Atelier für mich geschaffen. Da arbeite ich an meinen Entwürfen, etwa an den Schnitten für meine Kollektion. Ich finde es ideal, von zu Hause aus zu arbeiten. Für konzentriertes Arbeiten ist nichts besser als ein Blick in den Wald." (DER STANDARD, 16./17.2.2013)