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Wien - Bamako, die Hauptstadt Malis, würde man wahrscheinlich nicht unbedingt zu den Traumdestinationen für Aussteiger zählen. Und schon gar nicht würde man erwarten, dass ausgerechnet ein Deutscher von dort einen " Regionalkrimi" erzählt. Doch mit jeder neuen Buchsaison verschwinden weitere "weiße Flecken" von der Weltkarte des Genres.

Mit "Der Fluch der Dogon" liegt nun ein Mali-Krimi vor. Der Autor ist eine schillernde Figur. Christof Wackernagel, Jahrgang 1951 in Ulm in Süddeutschland, gehörte zur "zweiten Generation" der RAF; 1983 distanzierte er sich vom politischen Terrorismus. Seit 2003 lebt er in Bamako. Die Hauptfigur des Buches, ein Tischler, der auf die 60 zugeht, trägt offensichtlich Züge von Wackernagel selbst. Aber das Buch zielt, wie das zu den Vorzügen guter Kriminalliteratur allgemein gehört, auf ein Panorama der lokalen Gesellschaft.

Stefan, Inhaber der Menuiserie d'espoir (Tischlerei der Hoffnung), kommt durch sein Handwerk in Kontakt mit der besten Gesellschaft. Darunter ist auch Dauda Wueleguem, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit palastartigem Haus und einer jungen Frau namens Fatoumata, die in Deutschland studiert hat und bald ein unverhohlenes Interesse an Stefan zeigt. Wackernagel schildert seinen Helden in der klassischen Tradition des Einzelgängers, der sich nicht gern bindet, und damit perfekt für die Femme fatale geeignet ist. Fatoumata gehört aber nicht wirklich zu diesem Typus, sondern steckt ganz einfach in einer Ehe, die sich nicht ausgesucht hat, mit einem Mann, der mit ihrer Mutter paktiert. So ist es nur folgerichtig, dass auch die junge Frau sich einen Partner sucht, der sie versteht.

Kosmische Erneuerung

Der Kriminalfall, wenn es in "Der Fluch der Dogon" denn überhaupt einen richtigen gibt, entwickelt sich mit deutscher Beteiligung. Ein Münchner Kunsthändler namens Philipp Laube hat sich in Bamako eine Maske der Dogon gesichert, also ein Kultobjekt eines Volkes, dessen Rituale die Besonderheit haben, dass sie in manchen Fällen nur alle sechzig Jahre begangen werden. So verhält es sich mit dem Sigi- oder Sigui-Fest, das auf eine kosmische Erneuerung hinausläuft. Der französische ethnografische Filmemacher Jean Rouch hat dieses Fest, das sich jeweils über einen siebenjährigen Zeitraum erstreckt, zwischen 1967 und 1974 mehrfach dokumentiert.

Wackernagel kümmert sich um diesen besonderen Stellenwert der Dogon-Kultur in der westlichen Afrika-Rezeption nicht weiter, er erzählt nur von einem "Hogon", einem "Hellseher, Zauberer, Magier des Stammes", der in einer Höhle in der Nähe von Bandiagara lebt, und von dem geheimnisvolle Kräfte ausgehen, die den ganzen Plot durchwirken. Der Verkauf einer Awa-Maske an Laube geht mit ein paar Zahlungen einher, bei denen es sich eindeutig im Schmiergeld handelt. Bald gibt es auch einen Toten und später noch einen weiteren, ohne dass Wackernagel den Unschärfebereich zwischen Magie und Ironie wirklich aufklären würde.

Eine heitere Note bekommt seine Geschichte durch eine Parallelhandlung in München, wo ein paar schön philiströse Beamten, die am liebsten bei Kaffee und Zwetschkendatschi konferieren, Maßnahmen gegen "illegale Entfernung international geschützter Kunstschätze aus ihrem Ursprungsland" einleiten, wobei es dabei manchmal auch auf die richtige Intuition ankommt. "'Die Frau Guindo', brach es aus Rosalind Schörghuber heraus, 'die kann nix dafür.'" Da trägt Fatoumata schon wieder ihren Mädchennamen.

Wer in "Der Fluch der Dogon" wofür etwas kann, das erweist sich schließlich als gar nicht so wahnsinnig wichtig. Wackernagel gelingt wie nebenbei eine plausible Schilderung des Alltags in einer Stadt wie Bamako, an der aus aktueller politischer Perspektive vor allem auffällt, dass der Islam kaum eine Rolle spielt. Das mag zu den Problemen im Nordosten des Mali auch beigetragen haben: dass die Elite des Landes sich um die Situation im fernen Gao, gar Timbuktu wenig kümmerte.

Die Dogon-Maske ist ein Symbol für den Ausverkauf lokaler Kultur, aber auch für eine Politik, die das Eigeninteresse voranstellt. Ein deutscher Aussteiger, der sich am liebsten aus allem heraushalten würde, ist nicht die schlechteste Auskunftsperson in so einer Situation. Nicht nur deswegen lohnt sich die Lektüre des "Regionalkrimis". (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 20.2.2013)