Die Mathematikerin Annegret Burtscher.

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Das erste Mal begegnete Annegret Burtscher den Einstein-Gleichungen in einer Vorlesung. Was der Mathematikerin gleich gefiel: "Sie sind wirklich einfach und schön formuliert." Als Doktorandin an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien widmet sie sich nun speziellen Fragestellungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Die Einsteingleichungen beschreiben das Universum, den Raum und seine zeitliche Entwicklung. Mit geeigneten räumlichen Daten zu einem Anfangszeitpunkt sind die Gleichungen bis zu einem bestimmen Zeitpunkt in der Zukunft lösbar.

"Noch ist nicht hinreichend geklärt, warum Lösungen fortsetzbar sind oder nach einer gewissen Zeit zusammenbrechen. Mithilfe der Kombination analytischer Methoden und neuer geometrischer Ansätze arbeite ich an der Verfeinerung und Verallgemeinerung solcher Abbruchbedingungen", erklärt die 30-Jährige. Einige Monate arbeitete sie an der Seine mit idealen Flüssigkeiten (perfect fluids) an der Université Pierre et Marie Curie.

Das Stipendium "For Women in Science" (von Wissenschaftsministerium, L' Oréal, der Österreichischen Unesco-Kommission und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) ermöglicht ihr, nach ihrer Rückkehr aus Paris Ergebnisse zu publizieren und erste Weichen für eine wissenschaftliche Karriere zu stellen. An der HTL in Rankweil wählte sie als Teenagerin Tiefbau, weil sie verbindende Strukturen - wie Straßen, Brücken und Tunnel - reizvoll fand. Nach der Matura arbeitete sie ein Jahr auf einer irischen Autobahn-Baustelle (im Bereich Vermessung), weil sie bei der Studienwahl zunächst unsicher war. "Alle haben gesagt: Mathematik studieren nur Verrückte." Das stimmt natürlich nicht.

Mittlerweile hat sie selbst Anfänger unterrichtet. Dabei versucht sie die Schönheit der Theorie und deren Verwendung gemeinsam zu vermitteln. Oft genug wissen Studierende zu dem Zeitpunkt, an dem sie bestimmte Strukturen lernen, nicht, in welchem Kontext man sie anwenden kann. So verhielt es sich für sie selbst mit der Krümmung. Am Anfang war der Begriff die Grundlage numerischer Untersuchungen im Zagros-Gebirge für ihre Bachelorarbeit in Erdwissenschaften. Später tauchte er dann in der Allgemeinen Relativitätstheorie wieder auf. Die Einsteingleichungen beschreiben die Gravitation durch die Krümmung der Raumzeit. Hier setzt viel populäre Literatur über Schwarze Löcher, Big Bang und Zeitreisen mit gepflegtem Halbwissen an. "Wenn es so einfach wäre, müsste man es nicht studieren", kommentiert Burtscher.

Die Vorarlbergerin nennt sich ein nomadisches Wesen. Dieses wurde schon in ihrer Kindheit angelegt, als die Familie sommers mit dem Wohnwagen durch Europa tourte. Auch ihr Aufbruch zum Zweitbetreuer der Doktorarbeit in Frankreich erfolgte binnen Wochen nach nur wenigen Sprachkursen. Inzwischen haben sie und ihr Mann auch eine einjährige Tochter. Abgesehen von Besuchen im Ländle lässt sie derzeit das Reisen sein und widmet sich ihrem zweiten Hobby: der Fotografie mit analoger Mittelformat-Kamera. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 20.01.2013)