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Wien - Für einen Politiker ist Christoph Leitl sympathisch ehrlich. " Also ich habe nicht alles im Detail verstanden", bekennt der Wirtschaftskammerpräsident, nachdem ihm eine halbe Stunde lang Fachbegriffe um die Ohren geflogen sind. Eine Kernbotschaft filtert Leitl aber heraus: Wer eine neue Vermögenssteuer einführe, vertreibe Unternehmen und vernichte Arbeitsplätze.

Argumentationshilfe ist eine neue Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), die Direktor Christian Keuschnigg auf Einladung Leitls vorgestellt hat. Demnach drohe eine Vermögenssteuer mit einem Ertrag von einer Milliarde das Wirtschaftswachstum um 0,65 Prozent pro Jahr zu dämpfen. Ein derartiger Obolus schmälere eben Rendite und Vermögen der Sparer. Dies schlage auf die Klein- und Mittelbetriebe durch, die dann weniger Geld für Investitionen hätten.

Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer Wien hält diesen Konnex für " konstruiert". Investitionen hingen nicht von Ersparnissen ab, sondern von Nachfrage und der Verfügbarkeit von Krediten - und die sei hierzulande gegeben. Der Wirtschaftsforscher pflichtet bei, dass eine Vermögenssteuer das Sparen vermindere, quittiert dies aber mit einem " gut so". Schließlich sei das ein Anreiz, Geld auszugeben und somit das Wachstum anzukurbeln.

Zweifel an der Milliarde

Nicht nachvollziehen kann Marterbauer auch die Hochrechnung des IHS, dass die Steuer maximal eine gute Milliarde bringen würde. Er verweist auf Daten der Nationalbank, laut denen jene fünf Prozent der Haushalte, die mehr als eine Million besitzen, insgesamt 450 Milliarden halten: Je nach Steuersatz seien erhebliche Mehreinnahmen möglich.

Weiters hält das IHS die Kluft zwischen Arm und Reich für weniger dramatisch als die Vermögenssteuerfans. Zwar seien die Finanzvermögen ungleich verteilt, doch das sei auch Folge des ausgebauten Sozialstaats, der das Ansparen für Alter und Notfälle ersetze. Rechne man künftige Pensionsansprüche ein, sei die Vermögensverteilung gleich viel ebenmäßiger. Allerdings gibt es einen Unterschied: Pensionsansprüche kann man weder vorzeitig von der Bank abheben noch als Besicherung für Kredite verwenden.

Das IHS weist darauf hin, dass Österreichs schon so stark umverteile wie kein anderes Land - was auch der Sozialbericht des Sozialministeriums bestätigt. "Wir sind die Verteilungsgerechtesten", sagt Leitl, dem noch ein anderes Argument besonders am Herzen liegt. "Kapitalflucht" prophezeit Keuschnigg: Rund 30 Prozent der Zusatzeinnahmen gingen durch Ausweicheffekte verloren.

Laut der Nationalbankdaten kann dies freilich für einen Gutteil des Privatvermögens nicht gelten: Mehr als die Hälfte entfalle auf Immobilien, die nicht flüchten können.

"Lieber sanieren statt kassieren", fasst Leitl zusammen und leistet sich einen Seitenhieb auf die Regierung: "Die Bundesstaatsreform ist der kürzeste Witz der Republik." Der neben ihm sitzende Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) lacht nicht. Er hält bisherige Erfolge entgegen, gelobt weitere Schritte und deponiert ebenfalls ein Veto gegen Vermögenssteuer. Nicht versprechen will er, wann eine Steuersenkung möglich ist: Derzeit fehle dafür das Geld. (Gerald John, DER STANDARD; 21.2.2013)