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Manche pflanzen hier französische oder amerikanische Bäume, weil sie höhere Erträge bringen.

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Mallorquiner Sorten haben jedoch einen erheblichen Vorteil: Sie müssen nicht bewässert werden.

Anreise & Unterkunft

Flug Wien-Palma de Mallorca einmal täglich nonstop mit Fly Niki; zahlreiche Alternativen (etwa Lufthansa, Iberia, Swiss) mit einem Zwischenstopp;

Unterkunft: zum Beispiel das schön an der Felsenküste der Serra de Tramuntana gelegene Hotel Rural Ca Madó Paula, Calle de la Constitución 11 in Banyalbufar, oder das S'Hostal d'Esporles, Placa d'Espanya 8, im Dorf Esporles, das nur elf Kilometer nordwestlich von Palma liegt.

Grafik: DER STANDARD

Die Luft vibriert. Hunderte filigraner Flügelpaare versetzen sie ins Schwingen, das Summen ist allgegenwärtig. Dicke Hummeln zwängen sich zwischen zartrosa Kronblätter, Honigbienen eilen von Blüte zu Blüte. Auch ein paar große schwarzblaue Xylocopa, sogenannte Holzbienen, schwirren in diesem Gewimmel herum. Pulsierendes, vor Kraft strotzendes Leben. Das Spektakel verzaubert indes nicht nur Augen und Ohren. Ein liebliches Aroma kapert die Nasenschleimhäute. Der mediterrane Frühling. Und der duftet hier, auf Mallorca, von Ende Jänner bis in den März nach Mandelblüten.

Vermutlich waren es phönizische Seefahrer, die Prunus dulcis vor mehr als 2000 Jahren aus dem östlichen Mittelmeerraum auf die Insel brachten. Es war der Beginn einer innigen Beziehung. Heute gehört die Mandel, Ametlla im hiesigen Dialekt, zu Mallorca wie der Kaffee zu Wien oder das Baguette zu Paris. Millionen Mandelbäume schmücken die Felder und Berghänge zwischen Palma und Alcúdia. Ihr Siegeszug, so wird erzählt, fand vor allem während der Regentschaft von König Jaume II statt. Der Regent hatte eine Prinzessin aus den Pyrenäen geheiratet, und die vermisste im Winter den Schnee ihrer Heimat. Um ihre Sehnsucht zu mildern, ließ die Dame überall Mandelbäume anpflanzen. So verlieh sie dem Land alljährlich für ein paar Wochen eine weiße Pracht.

Im Labor der Firma Rover in Marratxi erkennt man den Duft der Mandelblüten zunächst kaum wieder. Miquel Angel deutet auf ein Plastikfass mit einer bräunlichen Flüssigkeit, darin schwimmen zahlreiche ertrunken anmutende Blüten. Ihr Aroma ist geradezu betäubend intensiv und schwer. Das ist die Bouillon, erklärt Angel. Drei Jahre lang werden Mandelblüten in einem alkoholischen Sud eingeweicht, um diesen Grundstoff für die Parfumherstellung zu liefern. Das Ergebnis sprengt fast jeden olfaktorischen Rahmen.

"Die Blüten sind sehr empfindlich", betont der Parfümeur. "Sie müssen noch am Erntetag in die Mazerationsflüssigkeit eingelegt werden." Das Pflücken beginnt normalerweise Anfang Februar. Die Reifung erfolgt in großen Glasflaschen, die in einem speziellen Gebäude, ähnlich wie in einem Weinkeller, bei gleichbleibender Temperatur lagern. Die Idee, aus Mandelblüten Parfum herzustellen, hatte Firmengründer Bernat Vallori in den 1930er-Jahren. Vallori war Chemiker und hatte als Kind gesehen, wie seine Großmütter noch selbst Seife und Duftwässerchen herstellten. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Tourismus aufkeimte, wurde das Parfum Flor d'Ametler zu einem begehrten Andenken, vor allem bei Hochzeitsreisenden. Vallori war ein Romantiker, sagt Miquel Angel. "Mit Recht. Was ist besser, um eine emotionale Erinnerung zu wecken, als ein Duft?"

Selbstverständlich liefern Mallorcas Mandelbäume nicht nur Blüten, auch die Früchte finden vielerlei Verwendung. Alejandro Cifre ist "pastelero" (Konditor) und Mitinhaber der Bäckerei Can Oliveret in Esporles, einem charmanten Bergdorf in der Serra de Tramuntana im Westen der Insel. Eine Spezialität des Hauses ist der "gato", der traditionelle mallorquinische Mandelkuchen. Der war früher eine eher seltene Köstlichkeit, erklärt Cifre. Der "gato" kam damals nur bei Grundbesitzern mit eigenen Mandelbäumen als Dessert auf den Tisch. Auswanderer brachten das Rezept später nach Frankreich, wo es alsbald beliebt wurde. Nach Mallorca zurückkehrende Emigranten hätten die französische Bezeichnung für das Backwerk, "gateau", wieder mit in ihre Heimat genommen und dort eingebürgert.

Trickreich zum maximalen Mandelgeschmack Ein "gato" sei mit einem normalen Kuchen nicht zu vergleichen, betont Alejandro Cifre. Als Zutaten sollten ausschließlich Zucker, gemahlene Mandeln, Zimt, geraspelte Zitronenschalen und Eier verwendet werden. "Kein Weizenmehl, denn dadurch würde man den Mandelgeschmack verringern." Der Teig wird nur durch die Zugabe der Eier zum Aufgehen gebracht. Das, meint der "pastelero", ist trickreich, aber entscheidend. Wichtig ist auch, dass das Mandelmehl nicht entfettet wird. Ein "gato" ist deshalb so gehaltvoll, sagt Cifre lächelnd. "Eine Bombe." Und selbstverständlich wird im Can Oliveret nur Mehl von heimischen Mandeln verwendet. Auf dem katalanischen Festland kaufen viele Konditoren ebenfalls Mandelmehl von der Insel - der hohen Qualität wegen.

Die Hochwertigkeit der mallorquinischen Ametlla beruht auf mehreren Faktoren. Das Klima spielt eine Rolle, und der Boden. Entscheidend ist aber auch das Alter der Bäume, erläutert Landwirt José Reche. Ältere Mandelbäume liefern süßere und fetthaltigere Früchte. Ein Baum kann durchaus 100 bis 120 Jahre alt werden, meint Reche. "Wenn er ein gutes Leben hat" - bei guter Pflege also. Auf Mallorca haben die Bäume ein höheres Durchschnittsalter als in anderen Teilen Spaniens, und deshalb sei die Qualität der hiesigen Mandelproduktion auch höher. José Reche bewirtschaftet seine Plantagen sogar ökologisch. Statt zur Stickstoffversorgung Kunstdünger auszubringen, setzt er auf Naturmist und Leguminosen, also Hülsenfrüchte. Letztere werden zusammen mit Gerste als Gründüngung zwischen den Bäumen ausgesät. Leguminosen wie zum Beispiel Platterbsen haben die Fähigkeit, in Symbiose mit speziellen Bakterien Luftstickstoff zu binden und im Bereich ihrer Wurzeln anzureichern. Die klassische Methode ist jedoch, Schafe auf den Plantagen weiden zu lassen, sagt Reche. Diese düngen dann die Erde mit ihrem Kot.

Reches Mandelhaine liegen an der Ostküste Mallorcas, nahe am Meer. Aufgrund des günstigen Klimas beginnt dort die Blüte etwas früher als im Inland der Insel. Die Temperatur darf während der Blütezeit nicht längere Zeit unter 7° Celsius sinken, sonst nehmen die Blüten und ihre Nektarproduktion Schaden, erklärt der Experte. Frost ist natürlich ganz übel, doch der tritt an der Küste nur selten auf. Zum richtigen Zeitpunkt wünschen sich Mandelbauern reichlich Regen, sagt José Reche. "Im Winter müssen die Wurzeln in Wasser baden." Ebenso im April, um der Fruchtentwicklung einen guten Start zu geben. Der Sommer sollte dagegen heiß und trocken sein.

Insgesamt gibt es auf Mallorca 30 bis 40 verschiedene Mandelsorten. Botaniker sind sich über die genaue Zahl noch nicht einig. Manche Bauern indes pflanzen französische oder amerikanische Baumsorten, weil diese oft höhere Erträge bringen. Die einheimischen Varietäten haben jedoch einen erheblichen Vorteil, erklärt die Ernährungswissenschafterin Gemma Bes. "Sie brauchen nicht bewässert zu werden." Die importierten Bäume dagegen schon. "Das ist nicht nachhaltig." Schließlich leidet Mallorca unter chronischem Wassermangel.

Bes, gebürtige Katalanin, befasst sich vor allem geschäftlich mit der Mandelkultur. Sie und vier weitere Frauen haben 2011 das Unternehmen Ametlla plus gegründet, welches sich der Herstellung von Mandelöl und anderen Mandeldelikatessen widmet. Ihre Motivation ist allerdings nicht rein ökonomisch.

Der Mandelanbau ist seit dem Einsetzen des Tourismusbooms, der in den 1930er-Jahren begonnen hat, im stetigen Niedergang begriffen, sagt Bes. Die Ernte ist beschwerlich, und die Billigkonkurrenz aus Kalifornien hat die Preise gedrückt. Die Folgen sind gravierend. Immer mehr Mallorquiner pflegen ihre Mandelplantagen nicht mehr, Bäume sterben ab. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte das Bild der blühenden Haine irgendwann verschwinden, fürchten Bes und ihre Mitstreiterinnen. So weit soll es nicht kommen. Das Unternehmen zahlt Bauern wie José Reche bewusst höhere Preise für ihre Ernte und setzt bei der Vermarktung der Mandelprodukte auf Qualität statt auf Massenware. Mit Erfolg. "In diesem Jahr ist der Marktpreis für Mandeln auf Mallorca wieder gestiegen, und wir sind froh darüber. Offenbar gerät etwas in Bewegung", sagt Bes. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Rondo, 22.2.2013)