2015 wird das Jahr der Dummys.

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Ab dann sollen bei Crashtests auch unterschiedliche Körpermaße mehr Berücksichtigung finden.

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Ziel bei der organisierten Kaltverformung sind realitätsnähere Ergebnisse.

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Elektronische Systeme, wie etwa der City-Notbremsassistent, sollen zur Unfallprävention beitragen.

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Die Idee kommt aus Schweden, vom Arbeitsschutz, und wurde von der EU für den Verkehr übernommen: Vision Zero. Ziel: null Verkehrsopfer. Und weil nicht alle Verkehrsunfälle sich wegorganisieren lassen, spielen auch fahrzeugseitige Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit eine zunehmende Rolle. Stichwort Crashtest.

Gab es da zuerst nur unzureichende gesetzliche Vorschriften, wurden ab den 1990er-Jahren weltweit Institutionen gegründet, die schärfere Regeln für Crashtests einführten und deren Urteil sich die Hersteller immer weniger entziehen konnten. Unter dem Begriff NCAP (New Car Assessment Programm) legten etwa die US-Regierungsorganisation NHTSA (US-NCAP) oder europäische Verkehrsminister, Autofahrerclubs, Konsumentenschützer und Versicherungen eigene schärfere Spielregeln fest (Euro-NCAP). Mittlerweile gibt es weltweit sieben NCAP-Organisationen, die alle ei ge ne Kriterien aufgestellt haben.

Konkreter Stufenplan

Ging es anfangs nur um Sicherheitsgurte, Airbags und eine steifere Karosserie, spielen jetzt zunehmend elektronische Systeme zwecks Unfallvermeidung und zur Milderung von Unfallfolgen eine Rolle. Wurden anfangs die Testkriterien alle paar Jahre verändert, gibt es jetzt einen konkreten Stufenplan bis 2016. Nachteil des forschen Vorgehens: Früher konnte man Crashtest-Ergebnisse, im Wesentlichen die Anzahl der Sterne, zwischen den Herstellern vergleichen, ab jetzt ist das nicht mehr wirklich möglich.

Jetzt schon haben die Autohersteller alle Hände voll zu tun, sieben verschiedene Crash-Normen weltweit zu erfüllen, die sich auch noch ständig ändern. Die je nach Ländern bzw. Kontinenten unterschiedlichen technischen Vorgaben werden von Experten dadurch erklärt, dass global verschiedene Rahmenbedingungen herrschen.

Unterschiedliche Schwerpunkte

So spielt die Fußgängersicherheit in den USA so gut wie keine Rolle, da sich dort kaum Menschen auf Fahrbahnen aufhalten. In Europa hingegen sehr wohl, in Japan noch mehr. Wer Autos in den USA verkaufen will, muss bei der Airbag-Auslegung berücksichtigen, dass es noch in einigen Bundesstaaten keine Gurtpflicht gibt. Auch bei der Entwicklung von Crashtest-Dummys werden verschiedene Süppchen gekocht. So wollte man in Japan für den dort herausragend wichtigen Fußgängerschutz eigene Dummys entwickeln, gibt sich nunmehr aber doch wie sonst überall mit Komponententests zufrieden, das heißt mit einer Kugel, die den aufprallenden Kopf simuliert, und einem künstlichen Bein.

US- und Euro-NCAP bilden die Grundlage für die Entwicklung der Crashsicherheitsmaßnahmen, je denfalls aus Sicht europäischer Hersteller. Um alle anderen Märkte mit anderen Kriterien auch zu bedienen, ist nur mehr eine Adaptierung notwendig. Die Crash-Kriterien von Euro-NCAP sind mittlerweile in vier "Wertungsboxen" aufgeteilt, also in die Passagierwertung, die Kindersicherheit, die Fußgängersicherheit und eine für Assistenzsysteme.

Neue Dummys

Die Roadmap von Euro-NCAP beschreibt heute schon exakt, was auf die Autohersteller zukommt. Für diese gilt es noch heuer, jeweils auf eine Auswahl der am häufigsten gekauften Kindersitze im Einbau Rücksicht zu nehmen, und für ein Geschwindigkeitsassistenzsystem gibt's zusätzlich Punkte. 2014 kann der Hersteller dann die Passagierwertung mit einem City-Notbremsassistenten bis 50 km/h aufwerten. Auch die Wirkung der Rücksitzkopfstützen wird dann bewertet, und es tritt ein neues Testverfahren für Oberschenkelaufprall in Kraft. Spurverlasswarner und -halteassistenten bringen ebenso Punkte wie Notbremssysteme über 40 km/h zur Auffahrunfallvermeidung.

2015 wird das Jahr der neuen Dummys. Vor allem die unterschiedlichen menschlichen Körpermaße sollen mehr Berücksichtigung finden. Es kommt ein neuer Seitenaufprall-Dummy und ein Dummy, der von seiner Statur her eine kleine Frau simuliert. Neue Kinderdummys sollen auf der Rücksitzbank für realitätsnähere Ergebnisse bei Seiten- und Frontcrashs sorgen. Außerdem tritt ein neuer Frontcrash in Kraft, und zwar mit 100 Prozent Überdeckung gegen eine starre Wand. Für 2016 sind noch zusätzliche Punkte für Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung vorgesehen. Und in Diskussion für 2017 sind Systeme für Nachtsichterkennung.

Menschlicher Faktor

Daraus ist abzulesen: Die elektronische Hochrüstung wird ganz wesentlich vom Streben nach Sicherheit angekurbelt. Oder besser: Viele der jüngsten elektronischen Assistenzsysteme wären unverkäuflich, würde man ihre Funktion nicht mit dem menschlichen Sicherheitsbedürfnis verknüpfen. (Rudolf Skarics, DER STANDARD, 22.2.2013)