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Die große Demo für Pressefreiheit in Budapest im Oktober 2012.

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Ernst Gelegs (52) baute ab 2000 das Büro Budapest auf, das heute unter seiner Leitung als Osteuropabüro des ORF dient. Als ORF-Korrespondent berichtete er davor aus London und aus Krisengebieten wie dem Irak, Syrien oder Nordirland.

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STANDARD: Ungarns Regierung wertet penibel aus, wie ausländische Medien über das Land berichten. Wie ergeht es Ihnen als zuständigem Korrespondenten?

Gelegs: Die Regierung hat mit allen Mitteln versucht, mich mundtot zu machen und vom Informationsfluss abzuschneiden. Ich habe Viktor Orbáns Pressechef Bertalan Havasi darauf hingewiesen, dass Gesprächsverweigerung kritische Berichterstattung im ORF nicht verhindert.

STANDARD: Ihren Vorgesetzten soll man private Mails vorgelegt haben.

Gelegs: Das hat mich sehr irritiert: Ungarns Botschafter hat Chefredakteur Fritz Dittlbacher und Auslandschef Andreas Pfeifer private Mails vorgelegt, in denen ich mich mit „Grüße aus dem Orbán-Land" verabschiede. Damit wollte er offenbar nachweisen, dass ich aggressiv gegen Ungarn bin und nicht mehr objektiv berichte.

STANDARD: Steht der ORF in dem Punkt hinter Ihnen?

Gelegs: Zu 100 Prozent, sowohl der Chefredakteur als auch der Generaldirektor: Alexander Wrabetz hat die Kritik in einem Brief an den Botschafter zurückgewiesen. Und er hat mich als für Ungarn zuständigen Korrespondenten verlängert – vermutlich gegen die Hoffnung der dortigen Regierung. Die hat bei ausländischen Medien weniger Eingriffsmöglichkeiten als bei den inländischen. Wenn schon bei uns so heftig interveniert wurde, kann man ermessen, wie es ungarischen Medien geht.

STANDARD: Den Rundfunk hat Ungarn drastisch zurechtgestutzt.

Gelegs: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Ungarns ist völlig demontiert. In den Redaktionen gibt es Formulierungsvorgaben – so darf etwa das Wort Sparmaßnahmen nicht vorkommen.

STANDARD: Erinnert an Orwells "1984".Und die privaten Medien?

Gelegs: Medien wie Magyar Hirlap und Magyar Nemzet sind der Regierung ohnehin ergeben. Journalisten sehen sich als treue Diener der Regierung, deren Wahrheit sie veröffentlichen. Kritische Medien wie Népszabadság erhalten weniger und weniger Inserate von staatsnahen oder staatlichen Betrieben wie den Lotterien. Auch private Unternehmen, die etwa auf öffentliche Aufträge hoffen, überlegen sich lieber dreimal, in regierungskritischen Medien zu schalten. Ungarns Zeitungen hängen sehr stark von Werbung ab. Ich weiß von Journalisten, dass Herausgeber bei Chefredakteuren nachfragen, ob dieser kritische Artikel nun wirklich notwendig ist.

STANDARD: Mit Erfolg?

Gelegs: HVG, vergleichbar mit profil, oder Népszabadság berichten kritisch. Aber man weiß als Leser natürlich nie, was sie noch berichten hätten können.

STANDARD: Der ORF hat Sie als Korrespondent verlängert – wie Sie vermuten, entgegen der Hoffnung der ungarischen Regierung.

Gelegs: Das war möglicherweise das Kalkül. Mangels Erfolg hat Ungarn die Strategie nun vernünftigerweise geändert. Kommunikationsstaatssekretär Ferenc_Kumin hat Kontakt aufgenommen – und auf einmal bekommen wir wieder Interviews. Das heißt nicht, dass wir uns vereinnahmen lassen – ich bleibe kritisch. Die ersten Anzeichen im professionellen Umgang sind aber vielversprechend.

STANDARD: Kritik an Ungarns Regierung trug Ihnen auf der öster_reichischen rechten Seite „unzensuriert.at" eine Verhöhnung ein. Unternehmen Sie etwas dagegen?

Gelegs: Diese Propagandabeauftragten haben eine Veranstaltung völlig falsch dargestellt. Ziel ist es, die Glaubwürdigkeit kritischer Journalisten zu untergraben und damit die ihrer Kritik. Meine Anwältin sagt, das bewege sich leider noch in den Grenzen zulässiger Werturteile. Aber ich werde jetzt auf einer eigenen Homepage darstellen, wie es wirklich war. Am besten mit der Schlagzeile: "unzensuriert.at blamiert sich mit  Bericht über Ungarn-Korrespondenten." (Harald Fidler, DER STANDARD, 23./24.2.2013)