Der  68-jährige Hartmut Hopp (hier auf einem Interpol-Fahndungsfoto) sollte Mitte Februar einvernommen werden, berichtete die "Rheinische Post" Ende Jänner. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens ist nichts bekannt.

Foto: Interpol

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Colonia Dignidad, Februar 1991. Der ehemalige Münchner CSU-Stadtrat Wolfgang Vogelsang schwärmte nach einem Besuch: "Man ist konservativ, denkt an Bayern, zeigt die Fahne mit Löwen und Raute - Hoffnung für Deutschland!".

Foto: epa/Marco Ugrate

In Chile traten am Dienstag fünf ehemalige Führungskader der auslandsdeutschen Siedlung Villa Baviera (vormals Colonia Dignidad) ihre Haftstrafen an. Kurt Schnellenkamp, Günther Schaffrik, Dennys Alvear, Gerd Seewald und Gerhard Mücke wurden von einem chilenischen Gericht wegen Beihilfe zur Vergewaltigung Minderjähriger und sexuellem Missbrauch verurteilt. Der sechste Täter,  Hartmut Hopp, entkam der chilenischen Justiz: er schaffte es im Mai 2011, sich ins deutsche Krefeld abzusetzen, wo er seither mit seiner Ehefrau Dorothea lebt.

Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt zwar wegen Mordes, Beihilfe zum sexuellen Missbrauch und gefährlicher Körperverletzung gegen ihn, sah aber bisher trotz seiner Flucht vor den chilenischen Behörden keine Notwendigkeit, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen.

Deutsche werden nicht ausgeliefert

Eine Auslieferung nach Südamerika kommt ebenfalls nicht in Frage, weil Hopp deutscher Staatsbürger ist. In der Beantwortung einer am Mittwoch eingebrachten parlamentarischen Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele schreibt das Justizministerium, man könne zum Stand der laufenden Ermittlungen keine Stellung nehmen.

Hopp war der Arzt der Colonia und galt als rechte Hand des 2010 verstorbenen Sektenchefs Paul Schäfer. Er soll Kolonisten gegen ihren Willen Drogen verabreicht haben und chilenischen Medien zufolge auch Tierversuche mit bakteriologischen Kampfstoffen durchgeführt haben. Die chilenische Justiz will ihn unter anderem über das im Ausland geparkte Vermögen der Sekte, das auf zumindest drei Millionen Euro geschätzt wird, befragen.

Netzwerk von Unterstützern

Nach der Flucht des "Colonia-Dignidad"-Gründers Paul Schäfer brauchten die chilenischen Behörden neun Jahre, um das 30.000 Hektar große Gelände unter ihre Kontrolle zu bringen:  die deutschen Siedler konnten sich immer noch auf ein Netzwerk von Unterstützern verlassen. Die Sekte pflegte gute Beziehungen zur Pinochet-Diktatur, die dort politische Gefangene foltern oder verschwinden ließ. Aber auch deutsche Politiker lobten "Zucht und Ordnung" in der Deutschen-Kolonie.

Nach der Flucht Schäfers im Jahr 1997 setzten sich zahlreiche Sektenmitglieder aus Chile ab, wo sie wegen Sprachproblemen kaum Fuß fassen konnten. Viele zogen in die Gegend um Düsseldorf, aus der sie oder ihre Eltern stammten, leben also in unmittelbarer Nähe von Hartmut Hopps Wohnsitz.

Obwohl etliche Opfer genauso wie der Sektenarzt deutsche Staatsbürger sind, können sie nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen: das Opferschutzgesetz sehe nur Entschädigungen für Gewalttaten vor, die nach dem 1. Juli 2009 stattgefunden haben, schreibt das Justizministerium in der Anfragebeantwortung. Die Regierung werde sich aber bemühen, "im Bereich der justiziellen Rechtshilfe ... Unterstützung zu leisten." (bed/derStandard.at, 22.2.2012)