110 Jahre Harley-Davidson: Ab 13. Juni wird Rom davon in Kenntnis gesetzt.

Foto: harley-davidson

Daheim in den USA, genauer in Milwaukee, wird Kid Rock die Gratulanten rocken.

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Zahlreiche Sondermodelle künden von dem runden Jubiläum.

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Hier zeigt sich zum Beispiel eine Road King im Geburtstags-Trimm.

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In der Riemergasse im ersten Wiener Gemeindebezirk geht ein Mann auf und ab. Er trägt Cowboy-Boots und eine speckige Lederjacke mit unzähligen Patches, Nieten und Ketten. Während er die Gasse auf und ab klingelt, raucht er ein Zigarillo und schaut grimmig. Vielleicht ist ihm der Schnee oben in die Schuhe gerieselt. Hinten auf seiner Jacke steht in großen Lettern, was er von Tattoos hält, und es würde niemanden wundern, wenn ein Harley-Davidson-Logo auf seinem Oberarm, seiner Brust oder sonstwo eingraviert ist. Übrigens: Haben Sie schon einmal jemanden getroffen, der ein Toyota-Logo tätowiert hat? Oder den Opel-Blitz? Puch? Aixam?

Jedenfalls: Kurz nach 20:00 Uhr dreht er am Absatz um und geht durch eine der Glastüren des Hauses mit der Nummer 11. Porgy & Bess. Nein, dort spielen heute nicht ZZ Top, Metallica, Gänse und Rosen oder Steppenwolf. Der Hot Pants Roadclub, Peter "Count Basic" Legat, Willi Langer und Dirk Erchinger, um nur ein paar zu nennen, feiern den 25. Geburtstag von Spray Records. Jazzkonzert statt Metallverformung. So kann man sich täuschen.

Das Gratis-Motorrad

Aber gut, sind die bösen Jungs auf der Harley inzwischen nicht mehr als eine Filmlegende, die von einigen Banden weitergeführt wird? Zumindest bei uns sieht man doch vorwiegend ganz normale Bürohengste auf diesen Böcken in die Knechtschaft reiten. Gut, einen ganz wilden Hund gibt es schon, dessen Anblick einem das Blut in den Adern gefrieren lässt: Dominic Heinzl. Aber sonst? Ist Österreich nicht das lebendige Remake von "Born to be Wild - Saumäßig unterwegs" statt "Easy Rider"?

Harley-Davidson wird das nur recht sein, wenn die Fahrer mit Charity-Ausfahrten anstatt mit Gewalttaten von sich reden machen. Denn der Mythos lebt, sobald der amerikanische V2 zu beben anhebt. "Wir verkaufen einen Lebensstil - das Motorrad gibt es gratis dazu", war erstmals in den 1980er-Jahren die Werbestrategie von Harley-Davidson. Dabei hat vor 110 Jahren alles ohne großen Marketingplan begonnen.

Erfolge und Niederlagen

In einer kleinen Hütte in Milwaukee, am Ufer des Michigan-Sees, haben die beiden Konstruktionszeichner William Harley und Arthur Davidson eine Idee. Sie wollen einen Motor bauen, der sie in einem kleinen Boot bequem ans andere Ufer bringt. Mister Harley war zugegeben nicht ganz bei der Sache und wollte eigentlich lieber sein Fahrrad befeuern. 1903 entstand so das erste Motorrad. Vier Jahre später sind auch die beiden Davidson-Brüder Walter und William mit von der Partie, als sie Harley-Davidson gründen.

Es beginnt eine Geschichte der Erfolge und Niederlagen. Erst einmal geht es für einen der ältesten Motorradhersteller steil bergauf. Harley ist mit seinen Motorrädern nie so richtig der technische Trendsetter. Obwohl die Motorräder gelten als robust und stark. Die Polizei fährt damit, das Militär ebenso.

Rettender Lebensstil

Nach dem zweiten Weltkrieg – Harley-Davidson hatte inzwischen Aeromacchi übernommen - wird dem Unternehmen die fehlende Innovation zum Klotz am Bein. Daran mag auch der Film "Easy Rider" 1968 im großen Stil nichts ändern. Harley-Davidson hat die Talsohle erreicht und verkauft keine 30.000 Motorräder mehr. Das Kapital vom Börsengang ist aufgebraucht, und das Licht am Ende des Tunnels scheint kein Hoffnungsschimmer zu sein, sondern eines dieser verdammten japanischen Motorräder, technisch ausgereift, günstig und am Sprung, Harley in Grund und Boden zu fahren.

Erst in den 1980er-Jahren beginnt die Marke wieder zu blühen. Das Unternehmen geht ums kleine Geld wieder in den Familienbesitz zurück und Willie Davidson versucht zu sanieren, was noch zu retten ist. Die Aufgabe gelingt. Zwar ist eine Harley-Davidson immer noch nicht die Metall gewordene Technologie, protzt nicht mit PS-Angaben, Gewichtsreduzierungen und Beschleunigungswerten. Es ist der Lebensstil, der eine Harley ausmacht. Auf keinem anderen großvolumigen Motorrad wird dich je irgendwann jemand danach beurteilen, wie gut du Motorrad fährst. Im Gegenteil. Bei langsamer Fahrt mit den Füßen neben seiner Harley mitzuwatscheln gehört schon fast zum guten Ton.

Hemmungslose Partys

Nicht die Rundenzeiten, die Anzahl der durchsprungenen Tables zählt. Im Grunde ist es der Wunsch nach Freiheit und Gemeinsamkeit. Dass dabei Unmengen von Reifen bei Burnouts in Rauch aufgehen, gehört dazu. Die 110-Jahr-Feiern, die heuer auf der ganzen Welt stattfinden, sind hemmungslose Partys. Sagen wir, das GTI-Treffen, nur größer und auf zwei Rädern. Denn es werden viele Fans kommen, darauf lassen die Verkaufszahlen der letzten Jahre schließen. Harleys sind in. Bei Managern und bösen Buben, und viele von ihnen lieben nicht nur ihre Maschinen, sondern auch das gemeinsame Abhängen, Braincaps und Lederjacken mit Nieten. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 25.2.2013)