Da mögen noch so viele Ökonomen (vor allem von Banken beschäftigte) und andere Beobachter angesichts der angeblichen italienischen Unregierbarkeit den Teufel an die Wand malen. In der Debatte um die Zukunft des südlichen Nachbarlandes würde etwas mehr Gelassenheit guttun. Das beginnt schon bei der Bewertung des demokratischen Reifegrades des italienischen Wahlausgangs: Dass jetzt der politische Stillstand das Land und die Eurozone an den Abgrund drängt, ist nicht nachvollziehbar. Wenn man schon die Theorie der gegenseitigen Blockade bemüht, dann hätte diese eher umgekehrte Auswirkungen. Dann nämlich würden die unter Mario Monti beschlossenen Reformen weiterhin wirken. Das Patt hätte dank erledigter Hausaufgaben eher stabilisierende Wirkung.

Dazu lohnt ein Blick auf die Ausgangslage Italiens: Zwar sind die zwei Billionen Euro an Schulden alles andere als beruhigend, doch entscheidend ist der Pfad zur Reduktion der Verbindlichkeiten. Dabei wird gerne übersehen, dass Rom strukturell Überschüsse im Primärhaushalt (ohne Zinsbelastung) aufweist. Was noch wichtiger ist: Bis 2014 rechnet die EU-Kommission mit einem Anstieg des positiven Saldos auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und somit auf das Vierfache des europäischen Durchschnitts.

Natürlich sind die öffentlichen Finanzen nur die halbe Miete. Bei Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Beschäftigung oder Wirtschaftsstruktur steht Italien nicht gut da, Untergangsszenarien sind aber reichlich übertrieben. Und seit Ausbruch der Krise haben sich beispielsweise die Lohnstückkosten als Gradmesser der Produktivität weit besser entwickelt als in Deutschland oder Österreich.

Das heißt nicht, dass von Italien keine Risiken ausgehen - macht doch jede Form der Abhängigkeit von den Finanzmärkten verwundbar. Doch die aktuellen Bewegungen an den Börsen sind mehr Korrektur des übertriebenen Optimismus der letzten Monate denn Alarmsignal. Gegen einen Neuausbruch der Eurokrise spricht, dass in der Zwischenzeit einige Brandmauern errichtet wurden und Löschgeräte zur Verfügung stehen, die bei den ersten Rauchschwaden in Griechenland noch vermisst wurden. Vor allem die Bereitschaft der Zentralbank, Krisenstaaten im Ernstfall indirekt zu finanzieren, dürfte – auf Kosten der Preisstabilität - ein Austrocknen Italiens verhindern. Und den Rettungsfonds gibt es ja auch noch, wenngleich dieser für eine Intervention beim größten europäischen Schuldner keine ausreichenden Ressourcen hätte.

Die ökonomischen Vorzeichen haben sich in den letzten 15 Monaten also geändert - in Italien und auf Euro-Ebene. Abgesehen davon sollten die innenpolitischen Wirren nicht dramatisiert werden. Auch wenn manch Wahlsieger kein Sympathieträger und eine stabile Koalition nicht in Reichweite ist, sind deshalb wechselnde Allianzen noch lange nicht ausgeschlossen. Und sollten alle Stricke reißen, sind Neuwahlen kein demokratiepolitischer Beinbruch. Das weiß niemand besser als die Italiener. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 27.2.2013)