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Einen symbolträchtigen Frühjahrsputz werden viele Burma-Besucher im Kehren des Großen Platzes vor der Shwedagon-Pagode sehen wollen. Das Bild stimmt: Diese Frauen sind Reinigungskräfte für ein besseres Karma.

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Doch Jahrzehnte der Unterdrückung lassen sich nicht einfach mit dem Besen wegwischen.

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Bis das neue Burma glänzt, werden aber noch einige der alten Maiszigarren in Rauch aufgehen.

Anreise & Unterkunft

Flüge von Wien nach Rangun zum Beispiel mit Qatar Airways oder Singapore Air, mit einem oder zwei Zwischenstopp(s). Visum: Botschaft der Union Myanmar in Berlin: Thielallee 19, 14195 Berlin; E-Mail: info@botschaft-myanmar.de; Unterkunft: etwa The Governor's Residence in der Taw Win Road 35.

Grafik: DER STANDARD

Die Bar an der Thu Damar Road ist irgendwann einmal in Gemeinschaftsarbeit geflochten worden, hat Seitenwände aus Palmwedeln, aus Wasserhyazinthen-Geflecht und Kokosfasern, hat Fensterkreuze aus Bambus und keine Scheiben. Sie passt ins Straßenbild - und sie hat bereits die britischen Kolonialherren erlebt, als die Stadt noch als Rangoon, das Land noch als Burma auf den Weltkarten verzeichnet war. Heute heißt dieselbe Stadt offiziell Yangon, das Land Myanmar, und statt der Engländer regieren die burmesischen Generäle. Sie haben ihr Land fast ein halbes Jahrhundert lang abgeschottet, das Volk drangsaliert, die Zukunft ausgesperrt und so im Burma von einst ungewollt das alte Asien konserviert - bis jetzt. Gerade beginnen sie, die Zügel ein wenig lockerer zu lassen. Und in gewaltigem Tempo wandelt sich das Land, sprießen Hochhäuser empor.

Über dem Eingang der geflochtenen Bar in Rangun - auch der deutsche Name der Stadt bleibt in bewusster Abgrenzung zum Regime in Gebrauch - ist inzwischen eine dunkelrote Leuchtreklame montiert. Die Moderne hält auch hier Einzug. "Karaoke" steht dort - in lateinischen Buchstaben, obwohl fast nie ein Ausländer zu den Gästen zählt und nur selten jemand ausgerechnet hier zu Musik vom Band gesungen hat. Diesen Abend brennt ein kleines Feuer vor der Tür - wie vor den Eingängen der Nachbarhäuser. Das Feuer ersetzt Straßenlaternen und Leuchtschrift, wenn wieder mal der Strom ausgefallen ist. Die sechs, sieben Gäste dieses Abends stören sich nicht daran. Die roten Buchstaben bedeuten ihnen wenig, denn im Schein des Feuers bei einem Glas süßen burmesischen Laphet-Tee oder einem Bier zu sitzen ist sowieso am gemütlichsten.

Erst langsam öffnete sich das Land am Golf von Bengalen zwischen den Nachbarn Thailand und Bangladesh Fremden. Langsam nur lüftete die größte Stadt den Schleier, unter dem sich länger als anderswo altes, anmutiges, kaum berührtes Asien verborgen hat.

Mattscheiben und Uniformen

Rund fünf Millionen Einwohner hat Rangun heute, und in manchem Stadtviertel gab es lange nicht einmal Leitungen für den selten fließenden Strom. Mit großer Wahrscheinlichkeit flimmerten selbst zu Zeiten der Stromausfälle Spielfilme über die Mattscheiben der Fernseher in den Villen der Generäle in den Nobelvierteln draußen am Inya-See, funktionierten dort sämtliche Küchengeräte. Es war lange einfacher, in Burma reich zu werden und mit allem versorgt zu sein, was knapp ist, wenn man eine Uniform trug.

Die Leuchtschriften und die Häuser mit mehr als vier, fünf Stockwerken sind derweil rasant zahlreicher geworden. "In fünf Jahren", glauben die Männer der Abendrunde am Feuer, "wird es hier aussehen wie in Singapur." Dort gewesen ist keiner von ihnen. Fast niemand darf ausreisen. Aber sie haben Fotos gesehen von Wolkenkratzern, Straßen voller moderner Autos, von Jugendlichen mit gefärbten Haaren und bunten Shirts, von hell erleuchteten Nächten. Einer zeigt auf die grellen Reklamen auf dem Foto, zündet sich eine aus einem gerollten Maisblatt improvisierte Zigarre an und lacht.

Obwohl er zunächst Geld in die Kasse der Unterdrücker spült, begrüßen selbst weite Teile der burmesischen Opposition schon lange den Tourismus. Weil damit ein Fenster aufgestoßen wurde und neuer Geist in dieses Land wehte. Jetzt beginnen sie, die Früchte davon zu ernten.

Buddha ist all die Jahre gelassen geblieben, liegt als 70 Meter lange Statue entspannt im Kyaukhtatgyi-Tempel, hockt unbeweglich im Schneidersitz in der Shwedagon-Pagode mit ihrer Kuppel aus 58 Tonnen Blattgoldbelag. Und es scheint, als haben ihm seine Anhänger diese Gelassenheit abgeschaut. Als habe ihnen der Glaube geholfen, ihr Lächeln in jeder Krise auch während der schlimmsten Zeit der Unterdrückung zu erhalten. Es sieht aus, als könnte Buddha jeden Moment in sein Haus aus Blattgold nach Rangun zurückkehren, als wären tausend Jahre wie ein Tag.

Die Schreine dort oben auf dem Dagon-Hügel sind mit Blumen geschmückt. Menschen flanieren andächtig im Uhrzeigersinn um den Tempel, Kinder spielen zwischen ihren Füßen, verstecken sich unter riesigen Bronzeglocken. Jede einzelne Szene könnte auch in der Vergangenheit spielen, wären nicht ab und zu ein paar T-Shirts, ein paar Jeans im Bild. Maler streichen Ornamente in knalligem Orange, befestigen neues Blattgold auf den Kuppeln, und ein paar Mönche beten wenige Schritte entfernt, liefern mit ihrem singenden Tonfall den Soundtrack für den Arbeitsalltag der Kunsthandwerker. Baugerüste ranken sich an mancher Fassade empor - archaische Bambusgestelle, stabilisiert mit dicken Knoten aus Kokosseil. Wenn es einen Ort in Rangun gibt, wo die Zeit auch nach Jahren noch stillstehen wird, dann ist es in der Shwedagon-Pagode.

Die Zahl der neuen und der teuren Autos unterhalb des Tempelhügels auf den Straßen Ranguns nimmt unterdessen zu. Sie heißen BMW, Mercedes, Lexus, sie jagen Fahrräder, Mopeds, Fußgänger. Sie sind schneller und leiser als die Fahrzeuge, die noch das Bild bestimmen, wendiger als die ein halbes Jahrhundert alten Leyland-Busse und die vielen Unimogs.

Noch immer aber gibt es die engen Märkte im Zentrum, die Gassen in der nach Schachbrettmuster angelegten Altstadt, auf deren Pflaster die Bauern des Umlands ihr Gemüse zum Verkauf auf Tüchern und Decken ausgebreitet haben. Es gibt die Markthallen, die vielen Garküchen, diesen Geruchsmix aus allem und nichts, aus Orangensaft und Kokosmilch, aus gegrillten Saté-Spießen und Frittierfett. Und es gibt noch die illegalen Straßencafés, die nur einen Hocker, einen Kessel und ein paar Tassen groß sind. Ihre Betreiber verkaufen Tee durchs Fenster wartender Autos und räumen ihr mobiles Inventar blitzschnell weg, wenn ein Polizeiwagen naht, denn eigentlich dürfen sie ihr Geschäft so nicht betreiben - gegen Gebühr unter der Hand wird es geduldet. Nur darf es nicht zu viele Hände am Tag geben, wenn der Kleinstbetrieb etwas abwerfen soll ...

Im Mingaladon-Airport von Rangun simuliert ein übergroßer Fernseher Gegenwart und hämmert Musik in den kargen Raum. Klänge, die noch nicht in dieses Land passen. Als ob der Fernseher alle Energie aus der Steckdose saugt, spielt er Musikvideos. Ein buddhistischer Mönch starrt unablässig auf den Schirm, auf dem Beyoncé herumspringt. Seine Augen sind an die fremde Sängerin geheftet. Seine Ohren saugen die Geräusche auf. Seine Lippen zeigen keine Regung, seine Mundwinkel kein Lächeln. Aber seine nackten Füße wippen im Rhythmus mit. Sie swingen in der Melodie einer völlig anderen Zeit. Hätte dieser Mönch ein Wörtchen bei der Verteilung des Stroms mitzureden, er hätte auch für den Fernseher und gegen das Licht, für Beyoncé und im Zweifel gegen Leuchtschriften und sogar gegen Landebefeuerung gestimmt.

Das 21. Jahrhundert greift nach Rangun, nach der wahrscheinlich letzten Großstadt des alten Asiens. Schon bald wird mehr Betrieb in der Karaokebar an der Thu Damar Road herrschen - und die Gäste werden zu Musik vom Band singen wollen, zu Tönen aus einer anderen Welt. (Helge Sobik, Rondo, DER STANDARD, 1.3.2013)