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Die große Inszenierung in Blau-Gelb: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll wirbt für "Klarheit", wie die absolute Mehrheit im Schwarz-Sprech heißt.

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"Zu wenig prominent" für das Pröll-Komitee: Autor Thomas Sautner.

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STANDARD: Im Personenkomitee von Landeshauptmann Erwin Pröll finden sich viele Künstler. Sind Sie auch gefragt worden?

Sautner: Dazu bin ich zu wenig prominent und damit zu wenig nutzbringend.

STANDARD: Hätten Sie Ja gesagt?

Sautner: Ich würde Nein sagen, egal, welche Partei mich fragt. Ich bin der Ansicht, ein Künstler sollte sich politisch engagieren, wenn er das will, aber nicht parteipolitisch. Zudem traue ich mir selbst nicht. Wer weiß, ob ich danach nicht doch auf die eine oder andere Weise befangen wäre.

STANDARD: Soll Kunst systemkritisch sein?

Sautner: Kunst darf schon heilsam schmerzen. Politiker täten jedenfalls gut daran, Künstler nicht zuvorderst als Wahlhelfer zu nutzen, sondern als Sprengmeister eigener Denkmuster.

STANDARD: Braucht man als Künstler die Politik als Geldgeber?

Sautner: Darauf gibt es zwei Antworten. Die erste ist, dass es unabdingbar notwendig ist, sie nicht zu brauchen. Ein Künstler muss die Freiheit haben, zu tun, was er für richtig und wichtig hält, anderenfalls kann er ja gleich Politiker werden. Die zweite Antwort ist: Es gibt freilich Kollegen, die auf öffentliche Zuwendungen angewiesen sind. Ich habe einen Freund, der seine Familie ernähren muss - er zensuriert sich teils selbst, weiß es und leidet darunter.

STANDARD: Ist das jene Risiko-Intoleranz, die Sie in Ihrem 2010 erschienenen Buch "Fremdes Land" beschreiben?

Sautner: Was mich nachdenklich stimmt, ist, dass Menschen selbst in einem demokratischen Staat wie unserem bis zur innerlichen Selbstlähmung vorsichtig, stumm und unkritisch werden. Ständig wird abgewogen, ob die einige Meinung nicht der Karriere schaden könnte, dem guten Ruf, den guten Beziehungen. Die Freiheit ist das, was den Menschen zum Menschen macht, sie ist unser höchstes Gut. Auf diese Weise geben wir sie aber Stück für Stück auf - und damit uns.

STANDARD: Sie sind in Gmünd aufgewachsen. Wie hat sich das Waldviertel seit Ihrer Kindheit verändert?

Sautner: Es ist eine vernachlässigte Gegend, die Politik überlässt das Waldviertel seit Jahrzehnten seinem Schicksal. Und die Opposition ist Teil des Dilemmas: Das Einzige, was Rot und Blau aktuell einfällt, ist, eine Autobahn quer durchs Waldviertel zu bauen - Retro-Politik der schlimmsten Sorte. An diesem Beispiel ist auch erkenntlich, warum es Landeshauptmann Pröll so leicht hat in Niederösterreich. Die Opposition ist unfähig und ideenlos. Das geht so weit, dass manche SPÖ-Politiker aus Opportunismus dazu aufrufen, Pröll zu wählen. Es ist wie im Kabarett.

STANDARD: Was bräuchte das Waldviertel?

Sautner: Strukturpolitik, die den Namen verdient, statt noch breitere Auswanderungsschneisen und Ortsumfahrungen. Nötig sind Investitionen in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur. Das könnte der gütige Landeshauptmann in die Hand nehmen.

STANDARD: Hat die Volkspartei das Land vereinnahmt?

Sautner: Machiavelli hätte seine Freude mit Erwin Pröll. Ihm ist das Kunststück gelungen, Bevölkerungskreise, die nicht klassisch ÖVP-Klientel sind, zu öffnen für die Partei, aber gleichzeitig nicht die Partei zu öffnen für aufgeschlossene Bevölkerungskreise. Die ÖVP ist konservativ geblieben, wird aber nicht nur von konservativ denkenden Menschen gewählt. Das funktioniert dank der von Pröll perfektionierten Politik des aufgeklärten Absolutismus: Er betreibt Symbol- und Mäzenatenpolitik und hat großes Talent, die Menschen auf herzliche Art einzulullen. In Niederösterreich gibt es praktisch niemanden mehr für Erwin Pröll Nützlichen, der nicht mit Zuneigung umgarnt, eingewickelt und unrettbar verschnürt worden ist.

STANDARD: In einem Gastkommentar im Standard haben Sie im September 2011 geschrieben, die europäische Demokratie sei im Koma. Wie steht es um die Demokratie in Niederösterreich?

Sautner: Ähnlich. Wir erleben eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Die Peitsche wird freilich nie vom Landeshauptmann geschwungen, sondern von unauffälligeren Menschen darunter, das Zuckerbrot wird vom Landeshauptmann verteilt. Was manche Menschen vergessen, ist der historische Kontext dieser Redewendung: Auch die, die das Zuckerbrot bekommen haben, waren Unfreie. (Andrea Heigl und Gudrun Springer, DER STANDARD, 2.3.2013)