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Pawel Dmitritschenko: Attentat auf Ballettchef gestanden.

Foto: Reuters

Mit langen dunklen Haaren, hochgezogenen Augenbrauen und herabgezogenen Mundwinkeln, deren Wirkung durch eine Art Knebelbart verstärkt wird, tanzt Pawel Dmitritschenko den Iwan Grosny (Iwan den Schrecklichen) mit hohen dynamischen Sprüngen, aber auch bewusst harten Bewegungen in einer beeindruckenden und zugleich furchteinflößenden Art und Weise. Haare und Bart seien gefärbt. "Ich habe versucht, dem Original so ähnlich wie möglich zu werden", gesteht Dmitritschenko.

Vielleicht ein wenig zu ähnlich, muss man konstatieren, denn genau wie das Original geht auch der Tänzer mit seinen Gegnern nicht besonders zimperlich um. Wie sich nun herausstellte, war er es, der den Säureanschlag auf den Ballettmeister des Bolschoi-Theaters, Sergej Filin, in Auftrag gegeben hat. Ein Geständnis hat der 29-Jährige bereits abgelegt.

Eine Frau hat den Konflikt zwischen den beiden Männern ausgelöst. Die junge Ballerina, laut russischen Medien entweder die Lebenspartnerin oder die Ehefrau Dmitritschenkos, wurde von Filin möglicherweise aufgrund persönlicher Eitelkeiten bei der Rollenverteilung mehrfach übergangen. Dmitritschenko entschied sich, dem Intendanten des Bolschoi die vielen Demütigungen mit Schwefelsäure heimzuzahlen.

Die Folgen sind nicht nur für Filin, der schwere Verbrennungen erlitt und fast das Augenlicht verloren hätte, schmerzhaft. Schmerzhaft ist der Skandal auch für das Bolschoi-Theater selbst - und das nicht nur wegen des Verlusts zweier führender Protagonisten. Das Aushängeschild des russischen Balletts hat durch die Affäre einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Die internen Querelen waren zwar Adepten der russischen Kunstszene bekannt, die große Masse der Ballettliebhaber glaubte der Mär von der schönen heilen Theaterwelt aber gern. Dieser Vorhang ist nun zerrissen.

Die zehnjährige Karriere Dmitritschenkos am Bolschoi-Theater ist nach der Affäre ohnehin vorbei. Die Moskauer werden sich an den in einer Künstlerfamilie geborenen Tänzer nicht wegen seiner Rollen als Spartakus im gleichnamigen Ballett oder als Rotbart in Tschaikowskis Schwanensee erinnern. Ja selbst sein gefeierter Auftritt als Iwan der Schreckliche wird nur wegen der damit verbundenen Assoziationen von einem psychisch labilen und gefährlichen Despoten im Gedächtnis bleiben. (André Ballin, DER STANDARD, 7.3.2013)