Für wie blöd hält ein EU-Kommissar eigentlich die Bürger in der Union? Anders als in dieser Deutlichkeit kann man auf die – höflich ausgedrückt – sehr schlichte Erklärung von Joaquín Almunia zur jüngsten EU-Sanktion gegen Microsoft kaum reagieren. Allen Ernstes wollte er der Öffentlichkeit weismachen, dass seine Leute "vielleicht naiv gewesen" seien, anzunehmen, dass der US-Software-Gigant seine Versprechungen nicht erneut brechen würde, um die Marktbeherrschung auszubauen.

Ein untaugliches Ablenkungsmanöver. Seit Microsoft in den 1990er-Jahren Windows auf den Markt brachte, hatte die EU-Kommission im Falle dieser Firma mit einer ganzen Kette von Verstößen, Verfahren und Strafen zu tun. Netscape, an den sich die jüngste Generation wohl gar nicht mehr erinnern kann, war das erste Opfer im Browserkrieg. Seither war Microsoft mit Strafzahlungen von mehr als zwei Milliarden Euro in Brüssel ein "guter Kunde".

Wenn nun wieder einmal ein Verstoß geahndet wird, kann also niemand überrascht sein. Vielmehr müsste der Wettbewerbskommissar offen einräumen, dass es in seiner Behörde ein Kontrollversagen gibt. Seine Vorgängerin Neelie Kroes brüstete sich oft damit, besonders marktliberal sein zu wollen. Bei der Vereinbarung mit Microsoft setzte sie auch einen ganz besonderen Treuhänder als Garanten ein: Microsoft selbst. Das klingt wie ein schlechter Witz. Almunia sollte solche Scherze besser rasch beenden. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 7.3.2013)