Rolf Bauer sucht nach Gründen für die Ausbeutung.

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"Das Land lässt mich nicht los - auch wenn es vieles gibt, das ich überhaupt nicht pack'." Wenn Rolf Bauer von Indien spricht, hört man immer ein wenig die Gespaltenheit heraus, die das Land prägt. Nachdem Matura und Zivildienst absolviert waren, hat er dort eine neunmonatige Asienreise gestartet - "eher durch Zufall, denn ich habe nicht viel gewusst über das Land", wie er sagt.

Heute ist der riesige Subkontinent das Zentrum seiner Forschungsarbeit als Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK): In seiner Dissertation geht er den Hintergründen des Opiumhandels der britischen East India Company auf die Spur.

"Es ist erstaunlich, dass ein Gutteil der britischen Herrschaft auf einer Droge begründet war", sagt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker. Bis zu 7000 Tonnen Opium im Jahr produzierte und exportierte die East India Company, die ein staatliches Monopol auf den gesamten Handel hatte. "Das entspricht der Menge, die laut UN-Schätzungen heute weltweit produziert wird", sagt Bauer. Die Einnahmen aus dem Opiumgeschäft machten bis zu 20 Prozent des britischen Budgets aus - so viel wie alle anderen Waren zusammen.

"Ich will wissen, wie es möglich war, dass ein paar tausend Briten Millionen von indischen Bauern kontrollieren konnten, die unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten mussten", erklärt Bauer seinen Forschungsfokus. Auf das Thema stieß der 1984 geborene Oberösterreicher während des Studiums "Internationale Entwicklung" an der Uni Wien. In einer Vorlesung zu Wirtschafts- und Sozialgeschichte begann ihn die Frage nach den Ursachen der Kluft zwischen reichen und armen Ländern zu fesseln.

"Die Grundzüge unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems haben sich im 19. Jahrhundert herausgebildet. Das koloniale Indien ist ein Paradebeispiel dafür, wie europäische Staaten Waren billig produzieren ließen und mit hohen Profiten verkauften", sagt Bauer. Trotz schwerer Hungersnöte, ausgelaugter Böden und mieser Bezahlung bauten die indischen Bauern weiter Opium an, anstatt auf Weizen, Linsen und andere einträglichere Feldfrüchte umzusteigen. Bauer vermutet, dass die Gründe dafür im enorm komplexen Kastensystem Indiens zu finden sind. Denn es gibt Hinweise, dass die Mittelsmänner, die im Namen von 20 bis 30 Bauern die Verträge mit der East India Company unterschrieben, aus hohen Kasten stammten.

"Meine These ist, dass die britische Handelsgesellschaft an der starken Hierarchie der ländlichen Gesellschaft andockte und sich die Machtstrukturen zunutze machte", sagt Bauer. Anhand des indischen Bezirks Saran will er nun aufarbeiten, welche Rolle das Kastensystem beim Opiumhandel spielte. Dafür plant er, 2014 ein halbes Jahr in Delhi zu verbringen - samt Freundin und seinem 16 Monate alten Sohn.

Bevor er das IFK-Stipendium ergatterte, arbeitete Bauer als Sozialarbeiter. Die Entscheidung, wieder in die Wissenschaft zu wechseln, fiel ihm nicht leicht: "Die Zukunft lässt sich nur schwer planen. Und die Laufbahn hängt auch stark von der Bereitschaft ab, den Ort zu wechseln." Was wiederum schwer mit einer Familie zu vereinbaren ist. An Forschungsideen mangelt es ihm nicht: "Ich würde gern einen Vergleich zum heutigen Opiumanbau in Afghanistan ziehen." Ein heißer Stoff allemal. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 13.03.2013)