Illegal abgeholter Wiener Müll: für den zuständigen Abteilungsleiter kein Kavaliersdelikt, für Justiz und Politik Diskussionsanstoß.

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Wien - Den Männern in Orange sind derzeit Medien und Justiz nicht grün. Der Grund für den Unmut der Wiener Magistratsabteilung 48, zuständig für Abfallbeseitigung: Das Gerichtsverfahren gegen drei der traditionell in Orange gewandeten Müllmänner wegen Amtsmissbrauchs. Josef Thon, Chef der MA 48, versteht überhaupt nicht, warum die Öffentlichkeit die Angelegenheit als skurril und überzogen ansieht.

Zur Erinnerung: Das Trio wurde, nicht rechtskräftig, verurteilt, da es um die Jahreswende 2010/11 bei zwei Gärtnereien zu viel, beziehungsweise den falschen, Müll mitgenommen hat. Einen wirklichen Vorteil hatten die langjährigen Beamten davon nicht, die Unternehmer ersparten sich Entsorgungsgebühren.

Keine Relation zum Delikt

Für das Delikt Amtsmissbrauch hätten die Angeklagten dafür zu Minimum sechs Monaten bedingt verurteilt werden müssen. Aber, wie die Vorsitzende ausführte, diese Strafe sei in keiner Relation zum Delikt, daher machte das Gericht von der Möglichkeit der außerordentlichen Milderung Gebrauch: Je drei Monate bedingt für die Müllmänner, sechs und vier Wochen für die Gärtner.

"Für mich ist das kein Kavaliersdelikt und auch nicht so, wie es in Medien dargestellt wurde", sagt Thon zum Standard. "Da ging es nicht um drei Säcke, sondern um ganze Container. Und die wurden teilweise bei Adressen abgeholt, wo die Mitarbeiter gar nichts verloren hatten." Und generell: "Es muss harte Konsequenzen haben, die Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass die Beamten korrekt arbeiten."

Vage Hochrechnungen

Seiner Überzeugung nach liegt auch der Schaden weit höher als der vom Gericht festgestellte von gut 1750 Euro. Laut Thon hätten die internen Ermittler auch Malversationen bei Gastro-Betrieben entdeckt. Den Wirten konnte die Staatsanwaltschaft allerdings nichts nachweisen. Und auch die internen Revisoren hinterließen bei Gericht einen eher mäßigen Eindruck: Aussagen standen im Widerspruch zu eigenen Protokollen, Hochrechnungen konnten nicht wirklich begründet werden.

Den Zorn des Gemeindemannes können nicht alle nachvollziehen. Im Gegenteil. In der Politik ist man zusehendes unglücklich mit der geltenden Gesetzeslage und tendiert Richtung Reform - der Einführung der diversionellen Erledigung in minderschweren Fällen.

Den Versuch gab es bereits: Im Vorjahr fand sich versteckt im Budgetbegleitgesetz der Passus, der eine Diversion - also primär eine Geldbuße und Entschädigung - statt einer Verurteilung vorsah. Was damals auf Kritik stieß, vor allem, da die Regelung schwammig formuliert war.

"Der Vorstoß war misslungen", sagt Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen. "Aber man kann durchaus über eine Ausweitung reden, da die Diversion insgesamt ein Erfolgsmodell ist. Es muss aber immer zuerst der gesamte Sachverhalt geklärt werden."

Einführung eines "minderschweren" Delikts

"Das ist eine heikle Frage, aber im Einzelfall kann die Mindeststrafe von sechs Monaten problematisch werden", sagt auch Team Stronach-Justizsprecher Christoph Hagen. Sein FPÖ-Pendant Peter Fichtenbauer war für den STANDARD nicht erreichbar. Dem Vernehmen nach soll er aber ebenso für eine Reform sein - allerdings eher für die Einführung des Deliktes "minderschwerer Amtsmissbrauch".

Einzig BZÖ-Bereichssprecher Gerald Grosz ist strikt gegen eine Änderung: "Eine Diversion kommt für uns nicht infrage. Es liegt ja bereits jetzt im Ermessen der Staatsanwälte, ob sie eine Angelegenheit einstellen", ist er überzeugt. Was allerdings die Anklagevertreter gar nicht so sehen.

SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim und Peter Ikrath von der ÖVP plädieren für eine Änderung. "Von unserer Seite gibt es daher ein 'Ja' zur Diversion", sagt Jarolim. Noch deutlicher wird Ikrath: "Der Prozess gegen die Müllmänner ist ein schlagendes Beispiel, dass eine Geringfügigkeitsgrenze notwendig ist." Ihm schwebt eine monetäre Grenze vor, über deren Höhe man verhandeln müsse. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 12.3.2013)