Es hat in Österreich ein wenig länger gedauert, doch mittlerweile setzt sich auch hierzulande die Meinung durch, dass Amtsmissbauch eher kein Delikt ist, über das man mit Augenzwinkern und wissendem Lächeln hinwegsehen kann. Zu Recht wurden daher die Gesetze verschärft. Allerdings: Mittlerweile sind sie so scharf, dass man gelegentlich den Eindruck erhält, es werde mit strategischen Nuklearwaffen auf Spatzen geschossen.

Innerhalb einer Woche wurden am Wiener Landesgericht zwei einschlägige Verhandlungen geführt: einmal gegen Müllmänner, die illegal zu viel Mist von Geschäftsleuten mitgenommen haben, und einmal gegen zwei Parksheriffs, die Strafen erlassen haben sollen.

Die derzeit vorgesehene Mindeststrafe dafür: sechs Monate bedingt, was auch einen Eintrag in die Strafregisterauskunft bedeutet. Der vom Gericht feststellbare Schaden für die Allgemeinheit: 1766,68 Euro im ersten, 36 Euro im zweiten Fall.

"Die Kirche im Dorf lassen"

Keine Frage, Steuergeld ist Steuergeld. Und man hat als Bürger das Recht, sich darauf verlassen zu können, dass Beamte korrekt arbeiten. Aber selbst die Anklägerin im Müllmänner-Prozess hat eingestanden, man "müsse die Kirche im Dorf lassen". Damit das Gotteshaus dort bleibt, ist es tatsächlich nötig, über die Möglichkeit der Diversion bei dieser Deliktform nachzudenken.

Nur um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: "Kleinigkeiten" wie ein aus Gefälligkeit ausgestelltes Pickerl in der Werkstatt (auch das ist Amtsmissbrauch) sind nicht in Ordnung, es muss Konsequenzen geben. Nur: Eine happige Geldstrafe ist bei geringem Schaden wohl lehrreicher und abschreckender für die Kolleginnen und Kollegen als eine Vorstrafe, die ein Berufsleben ruiniert.

Klar muss bei einer Reform aber sein, dass wirklich nur die Spatzen ohne Vorstrafe davonkommen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 13.3.2013)