"Kunst hat Recht" befürchtet, dass durch die Breitbandabgabe Online-Shops durch die Finger schauen

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Vergangenen Montag luden die Grünen zu einer Urhebererrechts-Enquete, bei der etwa 100 Menschen anwesend waren. Der Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zinggl lud über 140 verschiedene Vertreter, von Rechtsexperten über Verwertungsindustrie bis hin zu Netzfreiheits-Aktivisten. Ziel der Veranstaltung war es, zu erörtern, wie man das Urheberrecht modernisieren und verbessern kann. Themen wie Festplatten- und Bandbreitabgabe wurden genauso diskutiert wie die freie Werknutzung und das Urhebervertragsrecht.

Komplexe Thematik

Das in Österreich bestehende Urheberrecht soll und muss laut EU-Richtlinie novelliert werden. Die verschiedensten Lobbys haben sich in den vergangenen Monaten zu Wort gemeldet, die Thematik ist komplexer denn je, denn zu diesem Thema gibt es – wie so oft in der Politik – zahlreiche Meinungen und unterschiedliche Ansichten. Künstler beklagen durch die digitale Revolution Einnahmeneinbußen, Netzaktivisten wollen das "freie Internet" und Politiker und Juristen können sich nicht einigen, wie man welche Meinungen gewichten sollte.

Gesamteuropäische Lösung gefragt

Abseits der im Justizministerium erarbeiteten Papiere zur Urheberrechtsnovelle trafen sich am Montag also Vertreter aus den verschiedensten Gremien, um in Gruppen sechs verschiedene Schwerpunktthemen zu erarbeiten. Der WebStandard hat Wolfgang Zinggl danach getroffen, um zu erfahren, wie die Enquete verlief und welche Ergebnisse erzielt werden konnten. Sein persönliches Resümee: Es muss dringend eine Änderung her, wenn möglich im gesamteuropäischen Kontext.

Der kriminalisierte Internetnutzer

Die Enquete behandelte die Themen der freien Werknutzung, des Content-Profits, der Verwertungsgesellschaften, der Rechtsdurchsetzung, der Pauschalabgabe und des Vertragsrechtes. Für den Otto Normaluser ist eines dieser Themen aber vermutlich am wichtigsten: Was wird er künftig hinblättern müssen, um nicht mehr kriminalisiert zu werden?

Transparenz und Demokratie

Einig war man sich in der Enquete laut Zinggl vor allem darüber, dass es einer Reform der Verwertungsgesellschaften bedarf. Erwarten könne man das allerdings erst in den nächsten Jahren, da man davon ausgehen kann, dass es in der jetzigen EU-Legislaturperiode zu neuen Richtlinien kommt. Gefordert wird vor allem Transparenz und Demokratie: Wie werden Gelder von Verwertungsgesellschaften verteilt und auf welchem Schema basieren diese Verteilungen? Das Thema "Territorialprinzip" wurde dabei ebenfalls aufgegriffen: Denkbar wäre beispielsweise ein gesamteuropäische Verwertungsgesellschaft. Nationale Lösungen seien laut Zinggl hier eindeutig nicht zielführend und vermutlich umsonst.

Ablehnung der Abmahnpolitik

Ganz klar war man sich auch bei der Rechtsdurchsetzung: Sogar die "Hardliner" waren der Ansicht, dass nur der gewerbliche Missbrauch bestraft werden soll. Eine Abmahnpolitik, wie sie teilweise in Deutschland praktiziert wird, wurde strikt abgelehnt. Vorgeschlagen wurde beispielsweise anstatt des Zugriffs auf Vorratsdaten eine gezielte Überwachung von Zahlungsströmen, um kriminellen Aktivitäten auf die Spur zu kommen.

Alle Rechte im nicht-kommerziellen Sinn - auch Filesharing

Die pauschale Breitbandabgabe, wie sie von den Grünen immer wieder vorgeschlagen wurde, ist im Gegensatz zu der von KünstlerInnen geforderten Festplattenabgabe soll durchdachter und zukunftsträchtiger sein. Während Festplatten in den nächsten Jahren mit an nahezu Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwichtiger werden, wäre die Abgabe auf den Breitbandanschluss zielführender. Zinggl betont hier, dass mit dieser Abgabe dem Internetnutzer alle Rechte im nicht-kommerziellen Sinn gegeben werden würden. Das heißt, dass "die Legalisierung der ohnehin gängigen Praktiken" gegeben wäre – inklusive Filesharing. Was schön klingt, hat allerdings einen Haken, der in diesem Fall "EU-Recht" heißt. Der Upload, also das Zurverfügungstellen von Inhalten ist laut diesem Recht nicht gestattet. Hier wäre eine Diskussion auf europäischer Ebene denkbar und nötig, auch wenn laut Zinggl einige davon überzeugt sind, dass das nicht möglich sei. "Es ist möglich", so Wolfgang Zinggl, allerdings könnte das ein paar Jahre dauern.

Keine Deep Packet Inspection, kein Zugriff auf Vorratsdaten

Wie könnte so eine Pauschalabgabe im besten Fall aussehen? Dazu gibt es verschiedene denkbare Modelle: So könnte diese Abgabe entweder im Rahmen der GIS oder einer ähnlichen Haushaltsabgabe eingehoben werden – ob sie nun Haushaltsabgabe oder Medienabgabe heißt. Würde die GIS den Beitrag nicht einheben können oder wollen, wäre auch die Einhebung über die Internet-Provider möglich. Mit nur einem geringen Betrag, so Zinggl, könnten dadurch die Urheber finanziert werden. Geld, das jetzt im Rahmen der GIS den Ländern zu Gute kommt, könnte man ebenfalls umwidmen. Es gebe verschiedene Möglichkeiten dafür.

Ebenso wie für die Höhe dieser Abgabe: Mit 1,10 Euro bis zu drei oder vier Euro im Monat könnte man sämtliche Verluste, über die Urheber seit Jahren klagen, finanzieren. Wie das Geld dann verteilt wird, ist noch nicht völlig klar, aber Zinggl beruhigt: "Datenströme können völlig ohne Deep Packet Inspections und den Zugriff auf Vorratsdaten gemessen werden."

Nicht mehr in dieser Legislaturperiode

Kritisiert wird dieser Vorschlag aber dennoch von einigen: So bezeichnete ein Enquete-Teilnehmer die Pauschalabgabe als "kommunistischen Anstrich". Zinggl sagt hier weiter, dass es aber nicht die Aufgabe des Staates sei, Geschäftsmodelle zu retten oder zum Sterben zu bringen und das auch nicht das Ziel der Politik sei. "Der Markt reguliert sich selbst" ist seine Ansicht. Der grüne Nationalratsabgeordnete glaubt zwar nicht, dass diese Reformen noch in dieser Legislaturperiode kommen – schließlich dürfe man so kurz vor der Wahl kein Wählerklientel verärgern -, zuversichtlich zeigt sich Zinggl allerdings schon, dass es zumindest zu einer kleinen Novelle kommen wird.

Sonderfall Filmproduzenten

Zu guter Letzt wurden auch die Rechte der Urheber diskutiert. Es soll hier, wie es auch bei Kollektivverträgen üblich ist, zu einer Implementierung von Mindeststandards kommen. Es besteht dringender Handlungsbedarf in der Novellierung dieses Rechts. Dort ist beispielsweise die veraltete "Cessio Legis" verankert, die Filmproduzenten sämtliche Rechte einräumt, auch die der Verwertung. Da Filme aber heutzutage kaum noch rein privat finanziert werden, sondern auch mit öffentlichen Geldern arbeiten, gehört hier eine dringende Reform her.

Tiefgehender Wandel

Auf der Seite der Netzaktivisten und Rechtsexperten sah man die Enquete mit gemischten Gefühlen. Gelobt wurde vor allem die Ausgewogenheit der beteiligten Positionen, "wodurch die Defizite des Entwurfs zur Urheberrechtsnovelle von Justizministerin Karl sehr gut hervortraten", so der Jurist Leonhard Dobusch. Man ist sich sicher, dass der behandelnde Themenkreis "bloß die Manifestation eines sehr tiefgehenden Wandels darstellt", so Herbert Gnauer von Radio Orange. Dennoch ist für viele aus der Netzszene der Fokus auf die juristischen Sicht zu stark.

Netzaktivisten müssen Komfortzone verlassen

Der Reparaturgedanke, so Gnauer weiter, sei zu stark gegeben: "Es wird weit mehr hinterhergedacht als vorausgeschaut". Auch Gerald Bäck, der der Netzaktivisten zuzuordnen ist, hat in einem Blogbeitrag kritisiert, dass die Intention der Enquete der Offenheit der Grünen nicht gerecht wurde. Die Vertreter aus den Verwertungsgesellschaften seien zu dominant gewesen. Für ihn hätten die "Urheberrechtslobbyisten" kein Interesse an einer Debatte, sondern würden lieber über Einnahmen, Abgaben und deren Höhe sprechen. Er meint, Netzaktivisten helfe nur professionelles Lobbying, wie es von Seiten der Urheber und Verwertungsgesellschaften kommt. Laut Bäck ist es "Zeit, die eigene Komfortzone zu verlassen".

"Kunst hat Recht" will keine Breitbandabgabe

Indes hat sich auch "Kunst hat Recht" zu Wort gemeldet. Wenige Tage nach der Enquete, bei der auch Vertreter der KünstlerInnen-Initiative zugegen waren, lässt die Organisation wissen: "Kein Aufschub der Festplattenabgabe – Breitbandabgabe ist jetzt keine Alternative". Zwar würden sich die Kunstschaffenden von "Kunst hat Recht" keiner Diskussion über Lösungsmodelle verschließen, stellen die Breitbandabgabe allerdings in Frage, da sie "sehr viele Fragen" aufwerfen würde. Die Umsetzung und Abklärung würde zu lange dauern, weshalb man die "umgehende Einführung der Festplattenabgabe" weiterhin fordert. Die Lobbying-Kampagne von "Kunst hat Recht" beziehungsweise den KünstlerInnen soll laut Insidern aus dem Kreis einer großen Verwertungsgesellschaft von den Verwertungsgesellschaften selbst initiert worden sein. Die Initiatoren fordern wiederholt eine Abgabe auf sämtliche Speichermedien, nicht nur auf Festplatten als solche. Eine Breitbandabgabe "würde aber die Produktion von Werken, die mit hohen Investitionskosten verbunden sind, beispielsweise von Filmen, unmöglich machen", so Gerhard Ruiss. Sie kritisieren vor allem, dass etablierte Online-Musik-Shops damit umgangen werden würden, da Filesharing in der jetzt geforderten Form der Breitbandabgabe völlig legal wäre. (Iwona Wisniewska, derStandard.at, 15.3.2013)