Jean-Claude Juncker sieht bei der Belastung der großen Anleger noch Spielraum nach oben. Kleine Sparer würden hingegen zu stark belastet. 

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STANDARD: Die Belastung kleiner Sparer in Zypern stößt auf viel Kritik. Sie haben bis vor kurzem die Eurogruppe geleitet, wie sehen Sie den jüngsten Beschluss, der ohne ihre Mitwirkung zustande kam?

Juncker: Die Lösung, die jetzt getroffen wurde, hat einige Merkmale, die für Verstörung sorgen.  Ich meine, dass die Kleinanleger beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen werden, während die Großanleger nicht so belastet werden, wie sie hätten belastet werden können.

STANDARD: Erwarten Sie eine Revision in diesem Punkt?

Juncker: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Aber ich möchte den zuständigen Gremien nicht vorgreifen.

STANDARD: Verstehen Sie die Aufregung, vor allem bei den kleinen Sparern?

Juncker: Natürlich verstehe ich die Aufregung bei den Kleinanlegern, die ja nicht ursächlich an der Misere beteiligt gewesen sind. Ich verstehe auch die Sorge, die andere jetzt in der Eurozone umtreibt und die in der Befürchtung gipfelt, dass die Spareinlagen auch in anderen Euroländern nicht mehr sicher wären. Die Einlagensicherung bis 100.000 Euro ist für den Fall gedacht, dass eine Bank Konkurs macht. Dann springt der Staat ein. Im zypriotischen Fall gibt es keine Bankpleite, deshalb ist der Direktvergleich nicht statthaft. Aber es ist wahr, dass wir von Sonderfall zu Sonderfall Maßnahmen treffen, vor deren Auswirkungen niemand mehr sicher sei. Deshalb wäre es gut, wenn die Frage der Kleinanleger noch einmal unter die Lupe genommen werden würde. Dass russische Oligarchen nicht mit europäischem Steuergeld herausgehaut werden, findet mein volles Einverständnis.

STANDARD: Hätte man sich diese Aufregung nicht mit einem Freibetrag für kleine Anleger erspart?

Juncker: Ich war zum ersten Mal nicht in der Eurogruppe. Und schon ... (lange Pause, Anmerkung). Ich hätte mir einen schonenderen Umgang mit den Kleinanlegern gewünscht. Ich bin peinlich berührt, dass ich das so sehen muss, weil ich mir eigentlich vorgenommen hatte, die Ergebnisse der ersten Sitzung, die ich nicht leite, nicht kommentieren zu müssen. Das ist nicht sehr kollegial, aber ich kann auch nicht sagen, dass ich mit der Lösung einverstanden wäre.

STANDARD: Warum wurde kein Schuldenschnitt wie in Griechenland erwogen?

Juncker: Dann hätten wir unsere prinzipielle Basis verlassen. Wir haben damals gesagt, dass wird dieses Instrumentarium in einem anderen Fall nicht wiederholen.

STANDARD: Spart sich Europa immer tiefer in die Rezession?

Juncker: Das Thema Wachstum ist eminent wichtig. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir bei der Konsolidierung nachlassen. Ich bin allerdings für wachstumsorientiertes Sparen.

STANDARD: Sollen öffentliche Investitionen aus der Berechnung des strukturellen Defizits ausgeklammert werden?

Juncker: Ich bin der Meinung, dass investive Ausgaben anders zu beurteilen sind als konsumptive Ausgaben. Das heißt aber nicht, dass gewisse Investitionen aus dem Defizit herausgerechnet werden sollen. Dann nehmen die einen die Entwicklungsausgaben, die anderen die Verteidigungsausgaben.

STANDARD: Teilen Sie die Sorge, dass Frankreich das nächste Euro--Sorgenkind werden könnte?

Juncker: Die Mitgliedsstaaten sollen sich an die Eckwerte des Stabilitätspaktes halten.

STANDARD: Das war jetzt sehr diplomatisch ausgedrückt.

Juncker: Ich kann sie von klugen Kommentaren nicht abhalten.

STANDARD: Werden alle Euroländer in drei Jahren noch dabei sein?

Juncker: Ja. (Alexandra Föderl-Schmid/Andreas Schnauder, DER STANDARD, 19.3.2013)