Auch ein infernalisches Quartett muss sich einmal ausruhen: Faith (Selena Gomez, li.), Brit (Ashley Benson), Cotty (Rachel Korine) und Candy (Vanessa Hudgens) in "Spring Breakers". 

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Wien - Faith, Brit, Cotty und Candy sind vier Oberschülerinnen aus dem amerikanischen Hinterland, die Freundschaft und ein gemeinsamer Wunsch verbindet: einmal mit tausenden anderen jungen Menschen nach Florida reisen und dort einem neumodischen Initiationsritus namens "spring break" beiwohnen. Zur Erfüllung dieses großen Traumes fehlt bloß das Kapital. Aber auch in vermeintlich unschuldigen jungen Frauen schlummert kriminelle Energie. Ist das Geld ergaunert, geht es endlich ab in den Süden, wo ein bis an die Goldzähne bewaffneter weißer Rapgangster namens Alien und allerhand bewusstseinsverändernde Erfahrungen warten.

Mit Vanessa Hudgens und Selena Gomez posen zwei international hysterisch verehrte Teenie-Stars aus der Disney-Fabrik (Hannah Montana beziehungsweise High School Musical) als riot girlies vor der Kamera. Nicht allein dieser Umstand verweist darauf, dass es Autor und Regisseur Harmony Korine in seinem fünften Spielfilm Spring Breakers auf ein Spiel mit Popkultur und gegenwärtiger (Jugend-)Folklore anlegt. Korine war Mitte der 1990er-Jahre - als seine jetzigen Hauptdarstellerinnen noch Kleinkinder waren - selbst eine Art Jungstar des Independentfilms: Der Fotograf Larry Clark drehte nach einem Skript des damals knapp Zwanzigjährigen seine vielbeachtete New Yorker Skater-Milieustudie Kids.

Korine setzte 1997 mit seinem Regiedebüt Gummo nach - und sah sich danach umgehend mit einem Shitstorm an Ablehnung konfrontiert, der ihm damals noch weitgehend analog entgegenschlug. Nach Anerkennung für seinen Dogma-95-Beitrag Julien Donkey-Boy (1999) und dem Flop Mister Lonely (2007) machte Korine erst 2010 mit seinem in den Seitengassen von Nashville auf VHS gedrehten transgressiven Schund-Spaß Trash Humpers wieder als Filmemacher von sich reden.

Spring Breakers, der vergangenen September bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt wurde, kann man in mancher Hinsicht als eine farbenfrohe Hochglanzvariation auf Trash Humpers betrachten: Statt gamsiger Gummimasken-Greise stehen nun besagte Krawallmädchen in Bikini und Sturmhaube im Mittelpunkt des Films, der keiner klassischen Erzähldramaturgie folgt, sondern, so der Regisseur in Venedig, als " liquid narrative", als "Pop-Poem" auf Gegenwartsphänomene und die Generation der "television babies" angelegt ist.

Dafür taucht er das Geschehen und seine Protagonistinnen gerne in farbiges Kunstlicht. Ihre Rede besteht aus affirmativen Stehsätzen, die sich in Schleifen wiederholen. Der Film neigt folglich ins Komisch-Musikalische - nicht nur, weil Britney-Spears-Songs durch Alien (beherzt verkörpert von James Franco) und die Girl-Gang eine hingebungsvolle Neuinterpretation erfahren oder man sich bei Hip-Hop-Video-Klischees bedient. Handlungsanleitungen holt man sich aus der Medienrealität ("tu so, als wärst du in einem Film"), auch die Beschreibung von Befindlichkeiten oder Wahrnehmungen bleibt immer schon im Vorgestanzten ("ich habe mich hier gefunden").

An der Oberfläche bleiben

Spring Breakers dreht sich überdeutlich um Oberflächen. Aber man kann annehmen, dass Korine nicht nur mit MTV, Reality-TV, Youtube und anderen Selbstdarstellungsplattformen bestens vertraut ist, sondern auch mit künstlerischen Anverwandlungen dieser prägenden Medien-Metawelten wie sie etwa der junge US-Künstler Ryan Trecartin seit geraumer Zeit vornimmt. Bei allem Beharren auf Oberflächlichkeiten verfällt der inzwischen vierzigjährige Filmemacher gegenüber seinen jugendlichen Heldinnen nie in einen herablassenden Gestus.

Und so funktioniert Spring Breakers noch als eine Art Befreiungsschlag in ganz andere Richtung: Bei Disney, so Vanessa Hudgens nach der Premiere, werde man Teil einer Marke. Zu Spring Breakers sei zu sagen: " This one was for me." (Isabella Reicher, DER STANDARD, 20.3.2013)