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Demo für die Festplattenabgabe

Foto: APA

Heute schon straffällig geworden? Ein Vater, der den Videofilm mit seiner siebenjährigen Tochter, die zur Musik von Lady Gaga rockt, auf Youtube stellt, muss diese Frage eindeutig mit Ja beantworten. Die Zwölfjährige, die in einer Musiktauschbörse einen dezidiert kostenlosen Song downlädt, damit aber zugleich die Musik auf ihrem Laptop unwissentlich zum Upload für andere anbietet, ebenfalls. Und wer ein Foto auf Facebook ohne die Erlaubnis des Fotografen verbreitet, gehört auch zu den Rechtsbrechern. Im Internet ist all das technisch ganz einfach mit ein paar Klicks am heimischen Computer möglich. Das Unrechtsbewusstsein sickert erst langsam.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

Nichtsdestotrotz sind dem Urheberrecht gemäß auch im Internet solche Uploads und damit die Weiterverbreitung von fremden Werken nicht erlaubt. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Aber: Die straf- und zivilrechtliche Verfolgung solcher Taten ist wegen der oft räumlich weiten Entfernung und wegen zahlreicher Möglichkeiten, im Netz relativ anonym zu handeln, schwierig.

Und dann ist da die Privatkopie urheberrechtlich geschützter Werke. Sie ist erlaubt - egal ob per Musikkassette und Aufnahme aus dem Radio, das Kopieren der Buchseiten am Fotokopierer oder eben als Download von legalen Inhalten im Internet. Und genau da entsteht ein weiteres Problem: Während Urheber und Rechteinhaber offline mit der Leerkassetten- und der Reprografievergütung für diese private Nutzung entschädigt werden, fallen sie bei Downloads auf den Computer oder das Handy aus der virtuellen Welt um dieses Geld um.

"Enteignung" und "existenzbedrohende Einkommensverluste"

Einzementierte Positionen "Enteignung" und "existenzbedrohende Einkommensverluste" orten da vielerorts kreativ Schaffende, deren Vertreter und die Industrie rundherum, die vom Vertrieb und den Rechten über die Werke lebt. "Ungerechtfertigte Belastungen" und ein "Zurückdrehen des Rads der Zeit mit Gewalt" zulasten der Internet-Nutzer sehen da viele Netzaktivisten auf sich zukommen. Die Diskussion zwischen den Vertretern der Interessen tobt, ist mittlerweile verbal aufgeheizt, im Netz selbst, aber auch bei Veranstaltungen zum Thema - die Positionen und Wünsche scheinen unverrückbar einzementiert.

Nationale und EU-Gesetzgebung sind dieser Tage zwar um eine Reform des Urheberrechts zur einfacheren Durchsetzung der Rechte auch im Netz und einer Abgeltung für die private Nutzung bemüht: Im Raum stehen Abgaben auf Festplatten von SPÖ und ÖVP, auf Breitband-Internetanschlüsse von den Grünen oder überhaupt für jeden Haushalt wie von der Arbeiterkammer. Nach einem gescheiterten Versuch im Frühjahr arbeitet ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl an einem neuen Gesetzesentwurf zum Urheberrecht. Das geplante Kernstück - die etwa von der Plattform "Kunst hat Recht" geforderte Festplattenabgabe - kommt aber vorerst nicht.

Urteile stehen noch aus

Noch gibt es in dieser Materie Verfahren beim Europäischen Gerichtshof und Obersten Gerichtshof, deren Urteile noch ausstehen. Einige Urheberrechtsexperten versuchen sich aber bereits an einer rechtspolitischen Bewertung möglicher Neuerungen und zeigen auf, dass mit der Veränderung der Materie wohl viele neue Fragen und Rechtsunsicherheit rund um den fairen Ausgleich zwischen Internetusern und Urheberrechtsinhabern entstehen könnten.

Wenn es um die Verfolgung von rechtswidrigem Tun im Internet geht, muss zum Beispiel die Frage, wessen Interessen höher zu bewerten sind, beantwortet werden: Sind die Ansprüche von Urheberrechtsinhabern auf ein Entgelt wichtiger als das Grundrecht auf Datenschutz der Konsumenten oder der Schutz von Providern, der im E-Commerce-Gesetz geregelt ist? Urheber können ihr Recht nur dann durchsetzen, wenn sie zum Beispiel mit den Daten von Internetprovidern beweisen können, wer hinter einer IP-Adresse steckt und Urheberrechtsverletzungen begangen hat. Wolfgang Zankl, Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien und Leiter des europäischen Zentrums für E-Commerce und Internetrecht, macht aber darauf aufmerksam, dass Vorratsdaten und damit der Verlauf des Tuns der einzelnen User im Internet bei Providern bislang nur dafür gespeichert werden, um Straftaten zu bekämpfen: "Es geht meines Erachtens zu weit, diese Daten auch für privatrechtliche Ansprüche aus Urheberrechtsverletzungen offenzulegen." Das Grundrecht auf Datenschutz zu verwässern, um privatrechtliche Schadenersatzansprüche besser durchsetzen zu können, wäre demnach nicht angebracht.

Eine grundsätzliche Wertung

Dazu kommt noch eine grundsätzliche Wertung, die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist: Jeder, der einen Schaden erleidet, hat ihn erst mal selbst zu tragen und kann nur unter bestimmten Umständen zivilrechtlich auf Schadenersatz klagen. Zur Durchsetzung von Ansprüchen können die Inhaber von Urheberrechten deshalb auch nicht einfach Dritte wie etwa die Provider in die Pflicht nehmen. Das E-Commerce-Gesetz folgt diesem Gedanken und befreit Host-Provider, auf deren Seiten man zum Beispiel Postings hinterlassen kann, von der Verantwortung für rechtswidrige Aussagen, solange sie nichts davon wissen. Und Access-Provider, die nur den Zugang zum Internet ermöglichen, dürfen auch dann nicht für einen eventuellen Schaden belangt werden, wenn sie vom illegalen Tun der User wissen. Schließlich haben beide die Rechtsverletzung nicht selbst begangen: "Auch die Post wird nicht dafür belangt, wenn in einem der von ihr zugestellten Briefe jemand verleumdet wird", erklärt Zankl.

Schadenersatz zum Beispiel für Uploads von den tatsächlichen Urheberrechtsverletzern zu erhalten ist also möglich, aber nach dem heutigen Urheberrecht nur schwer durchzusetzen. Bleibt also die Möglichkeit sich zumindest mit einer Abgabe ein Entgelt für Downloads auch für Privatkopien im Internet zu sichern. Die Rechteinhaber argumentieren damit, dass mit einer Abgabe auf Festplatten genau das erreicht würde.

Vogelstimmen im Wald aufgenommen

Vogelstimmen und mehr Doch auch da werden kritische Stimmen laut - schließlich werden Festplatten im Unterschied zu Leerkassetten, wo nach Urheberrechtsexperte Guido Kucsko von der Kanzlei Schönherr nur "ausnahmsweise mal Vogelstimmen im Wald aufgenommen wurden", nicht ausschließlich für das Speichern von urheberrechtlich geschützten Werken, die man sich aus dem Netz zieht, verwendet. Im Gegenteil: Man braucht sie unter vielem anderen dafür, dass Arbeitsprogramme überhaupt laufen oder auch für das Speichern von selbst erstellten Dokumenten.

"Der Oberste Gerichtshof hat seine Einscheidungen, warum eine solche Abgabe auf interne und externe Speicher im Unterschied zu MP3-Playern, CDs oder DVDs nicht eingehoben werden soll, mit der Multifunktionalität der Geräte begründet", erläutert Kucsko, der unter anderem Hewlett Packard im Feststellungsprozess zum Thema vertreten hat. Nun liegt die Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof, sie könnte anders ausfallen und wird erst im Frühsommer erwartet. Silvia Angelo, Abteilungsleiterin für Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammer, ist aber schon heute der Meinung, dass "die Festplattenabgabe sicher nicht die Lösung ist": "Es braucht schon eine Abgeltung für Künstler. Aber: Die Konsumenten mit einer Abgabe auf jedes Gerät, unabhängig davon, wofür es genutzt wird, mehrfach zu belasten ist nicht gerechtfertigt." Im Gleichklang damit argumentiert auch die Wirtschaftskammer gegen dieses Abgeltungsmodell.

110 Millionen Euro

René Tritscher, Geschäftsführer der WKÖ-Bundessparte Handel, meint etwa: "Nach den Verkaufszahlen von 2012 würde eine Festplattenabgabe fast 110 Millionen Euro zusätzlich ausmachen. Dabei haben die Verwertungsgesellschaften letztes Jahr 200 Millionen Euro erhalten. Wir wollen Künstlern nichts wegnehmen, es ist aber unseriös, österreichische Unternehmen im Alleingang zusätzlich zu belasten." Der Handel hat deshalb rund 30.000 Unterschriften gegen die Abgabe gesammelt und sie den Gesetzgebern im Parlament überreicht.

Ähnlich argumentiert auch Georg Kresbach, Copyright- und Internetpiraterie-Experte bei der Kanzlei Wolf Theiss: "Das Internet kennt keine Grenzen zwischen den Staaten. Das Urheberrecht auf ein Land zu beschränken ist deshalb fragwürdig." Für mehr Rechtssicherheit brauche es zumindest europäische Lösungen.

"Mangelnde Kreativität" Bei den Fragen rund um die Abgeltung für das private Nutzen von Leistungen von Kunst- und Kulturschaffenden stellt Kresbach aber überhaupt infrage, ob das Urheberrecht die dafür passende Materie ist. Schließlich gebe es bereits Plattformen wie I-Tunes oder Spotify, wo die Konsumenten bereits ihren Obolus für Musik-Nutzung und damit von urheberrechtlich geschützten Werken leisten. Außerdem können gerade junge Künstler das Netz auch vergleichsweise kostengünstig für Werbezwecke oder einen eigenen Vertrieb nutzen, sagt Kresbach: "Dass die Verwertungsindustrien darüber hinaus im Gegenzug für ihre mangelnde Fantasie und Kreativität bei der Vermarktung zusätzliche Abgaben fordern, ist nicht fair gegenüber den Konsumenten. Da fehlt die Differenzierung zwischen jenen, die Downloaden, ohne zu zahlen, jenen, die dafür bereits bezahlt haben, und jenen, die überhaupt nichts urheberrechtlich Geschütztes aus dem Internet nutzen."

Unsachlich

Auch für Axel Anderl, IT-Recht und E-Commerce-Experte der Kanzlei Dorda Brugger Jordis, ist das Grundproblem bei den aktuell diskutierten Modellen, "dass unsachlich pauschaliert wird". Folglich wären auch für ihn weder die Festplattenabgabe noch eine Abgabe auf Breitbandanschlüsse noch eine allgemeine Haushaltsabgabe, bei der alle unabhängig von Gerät oder Anschluss bezahlen müssten, brauchbare Lösungen für eine Abgeltung für die private Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken.

Problembereich Streaming Anderl weist aber noch auf zusätzliche Problematiken hin: Schon heute werde im Internet gestreamt, dabei zum Beispiel ein Film direkt im Netz angesehen und nicht erst nach einem Download. Außerdem meint Anderl: "Viele Werke sind mit einem Kopierschutz versehen, der technisch nicht von jedermann geknackt werden kann und auch nicht darf. Eine Festplattenabgabe als Abgeltung für private Kopien kann es also nicht geben. Es ist also paradox, alle für das illegale Tun Einzelner zu belasten."

All das sind Fragen, für die es eine wissenschaftliche Aufarbeitung und rechtspolitische Diskussion braucht

Eine Vorabentscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Kino.to-Plattform, auf der Filme und Serien ohne das Einverständnis der Rechteinhaber verfügbar waren, zeigt für Anderl außerdem auf, dass eine Reform des Urheberrechts weitere Fragen beim Up- und Download beantworten müsste: Wer haftet dafür, dass nur legale Werke zum Download zur Verfügung stehen? Der Verbreiter der Inhalte, die Provider, die den Platz dafür im Netz zur Verfügung stellen, oder die Konsumenten, die sie am Ende nutzen? Sind Zugangsperren bei Urheberrechtsverletzungen ein brauchbares Mittel, weil diese nur illegale Inhalte betreffen dürften und mit Spiegelungen der Seiten einfach umgangen werden können? Und last, but not least: Was passiert, wenn der private Download mit allgemeinen Abgaben belastet wird? Müsste damit auch die private Nutzung von illegalen Inhalten legalisiert werden? All das sind Fragen, für die es eine wissenschaftliche Aufarbeitung und rechtspolitische Diskussion braucht.

Für Anderl ist klar, dass "polemische Diskussionen zu Urheberrechtsfragen im Internet überhaupt nichts bringen." Politisch sei eine Denkpause daher besser als ein gesetzlicher Schnellschuss der Justizministerin. (Martina Madner, DER STANDARD 21.3. 2013)