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In den vergangenen Monaten mussten immer mehr zypriotische Geschäftsleute aufgeben. Die Arbeitslosigkeit stieg.

Foto: epa/KATIA CHRISTODOULOU

Zypern ist jetzt bekannt. Tagelang berichtete ganz Europa über den möglichen Bankenrun - der dann jedoch ausgeblieben ist. "Mich hat die Situation überraschend getroffen", sagt eine Wienerin, die seit 22 Jahren auf der Insel lebt, gegenüber derStandard.at. An sich kam die Krise aber nicht über Nacht.

"Da hat sich schon deutlich etwas angekündigt", man habe allerdings nicht genau gewusst, was, sagt auch Martin Reyer, Pfarrer der evangelischen Gemeinde auf Zypern, im Gespräch mit derStandard.at. In der Hafenstadt Limassol zum Beispiel stehe alle 50 Meter ein Geschäftslokal leer, viele haben im letzten halben Jahr zugesperrt.

Arbeitslosigkeit steigt stark

Am stärksten betroffen von der wirtschaftlichen Schieflage sei, wer seinen Job verliert, sagt auch die Wienerin, die auf Zypern in einer Privatschule arbeitet. Bis vor wenigen Jahren habe hier jeder einen Job gehabt, das Phänomen Arbeitslosigkeit sei neu. Arbeitslosengeld bekommen Zyprioten nur für sechs Monate, denn "der Staat ist nicht so aufgebaut wie unserer", erklärt sie.

Neben Griechenland und Spanien verzeichnete Zypern in den vergangenen Jahren den stärksten Anstieg der Arbeitslosenrate. Zypriotische Angestellte seien für viele Unternehmer zu teuer geworden, sagt sie. Vermehrt würden Osteuropäer beschäftigt, und auch Syrer. Es gebe mittlerweile sogar Hotels, in denen man sich mit den Angestellten nur noch auf Englisch verständigen könne.

Kein Vertrauen in Regierung

"Das Volk weiß, dass das System falsch ist", sagt sie. Regierungsbeamte zum Beispiel hätten bisher nicht in die Pensionskassen einzahlen müssen. Die Zyprioten hätten sich auch allen extrem angebiedert, die Geld hatten, das sei zumindest ihr Eindruck. Der Staat solle aber nicht die russischen – oder, wie sie sagt, neuerdings auch chinesischen – Oligarchen stützen, sondern den Mittelstand, fordert sie.

Viele Menschen seien sogar froh darüber, dass die Troika im Land ist und der Regierung auf die Finger schaut. Das Vertrauen in diese sei nämlich gestört. Dennoch: Die Zyprioten seien kein Volk, das sich aufregt. Von Demonstrationen habe sie selbst in den vergangenen Tagen nichts mitgekriegt.

Natürlich sei es unangenehm gewesen. "Leute, die keine Probleme mit ihrem Konto hatten, konnten aber immer Geld beheben". Am Bankomaten. Das bestätigt auch Pfarrer Reyer. "Man hat immer Geld bekommen", sagt er, in den letzten Tagen seien es 120 Euro gewesen. Es gebe aber auch Leute, die sagen, sie hätten immer 400 Euro gekriegt.

Geschäftsverkehr lahmgelegt

Nach der Öffnung der Banken habe er dennoch eine Runde gedreht. Der Betrieb sei ganz normal gewesen, es seien nie mehr als 20 Leute vor einer Bank gestanden. Was anders war als sonst: Vor der Eingangstür zu jeder Bank stand Sicherheitspersonal. Das seien aber keine starken Männer gewesen, sagt er, an einer Filiale zum Beispiel stand eine zierliche blonde Frau.

Größere Probleme bereite es da schon, dass der Geschäftsverkehr in den vergangenen Tagen ruhte, sagt Reyer. Lieferanten konnten nicht bezahlt werden, Geschäftsleute konnten keine Ware ordern. Alles sei ins Stocken geraten, der Kreislauf war gestört. Er selbst zum Beispiel möchte einen Barscheck einlösen, das sei auch nach der Wiedereröffnung der Banken noch nicht möglich gewesen.

Verhalten der Kirche kam gut an

Dass der Erzbischof angekündigt hat, dass er mit Kirchenvermögen dafür einsteht, dass die Situation bereinigt werden kann, hat der orthodoxen Kirche laut Reyer großen Respekt eingebracht. "Das fanden alle ausgesprochen gut", sagt er, er selbst auch. Damit habe die Kirche gezeigt, in dieser schwierigen Zeit hinter den Menschen zu stehen.

Man müsse bedenken, dass die Kirche auf Zypern Teil des Volkes sei, und das in eine Weise, die man sich in Mitteleuropa nicht vorstellen kann. "Hier sind die Kirchen jeden Sonntag mehr als voll, viele haben sogar Lautsprecheranlagen nach draußen."  Inwieweit der Erzbischof das Versprechen einlösen kann, ist laut Reyer aber fraglich. Die Kirche besitze vor allem Immobilien und Ländereien. Und in Zeiten der Not sei es bekanntermaßen schwierig, solche Werte in Geld zu verwandeln. (part, derStandard.at, 29.3.2013)