Der groß angekündigte Fernsehauftritt von Staatspräsident François Hollande war entlarvend: Frankreichs Politik wirkt wie blockiert, während jeden Tag tausend neue Arbeitslose dazukommen. Der Präsident vertraue auf seinen "Werkzeugkasten", wie er sagte: Die wichtigsten Reformen seien lanciert, und in einigen Monaten würden sie Wirkung entfalten. Die meisten politischen und medialen Kommentatoren in Paris sind aber skeptischer denn je.

Zu Recht: Hollande kann nicht gleichzeitig die Wirtschaft entlasten und den Firmen neue Abgaben aufbürden; er kann nicht die Staatsausgaben senken und Arbeitslosenprogramme für Hunderttausende lancieren. Die anvisierten Reformen neutralisieren sich damit von selbst.

Hollande ist dafür allerdings nicht allein verantwortlich. Sein Lavieren ist das einer ganzen Nation. Die Franzosen wissen wohl, dass ihr Land Reformen braucht, die dem Ernst der Stunde angemessen sind - aber sie wollen keine sozialen Abstriche hinnehmen. So musste Hollandes vor den TV-Kameras seine ursprüngliche Absicht fallenlassen, die Familienzulagen zu kürzen. Der Widerstand dagegen ist zu groß.

Die Nation verlangt von Hollande eine Politik von "Blut, Schweiß und Tränen" - aber sie will weder bluten, schwitzen noch weinen. Der Präsident im Élysée auch nicht. Armer Hollande, der verzweifelt gute Laune zu verbreiten sucht, während sein Land im Trübsinn versinkt. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 30./31.3.2013)