Stefan Fleischhacker, Schauspieler, Kunstpfeifer und Direktor des Letzten Erfreulichen Operntheaters, in seiner Wohnung, die ihm vor allem eines bietet: viel Platz. Foto: Lisi Specht

Foto: Lisi Specht

Der Wiener Kunstpfeifer Stefan Fleischhacker wohnt im dritten Bezirk in einer 220 Quadratmeter großen Substandardwohnung. Wirklich möbliert ist nur ein einziges Zimmer, weiß Michael Hausenblas.

"Meine Wohnung liegt im dritten Bezirk, gleich ums Eck vom Bahnhof Wien-Mitte. Abgesehen von einer rund zweijährigen Unterbrechung wohne ich hier schon seit fast 25 Jahren. Ursprünglich war das eine Wohngemeinschaft mit bis zu zehn Bewohnern auf 220 Quadratmetern. Übrig geblieben sind ich und meine Hündin Franzi.

Die Wohnung befindet sich in einem Jahrhundertwendehaus im ersten Stock plus Mezzanin. Von oben betrachtet bildet sie ein großes L mit einem langen Flur. Es gibt vier große Zimmer, zwei Kabinette, ein Bad und eine Küche. Zentralheizung hab ich keine, dafür habe ich einen Ofen im Schlafzimmer und einen in der Küche. Dort erledige ich auch meine Büroarbeit beziehungsweise nähe ich hier an meinen Kostümen fürs Theater.

Ich zahle 1200 Euro Miete, wobei das hier schon irgendwie Substandard ist. In der Küche heize ich manchmal sogar mit dem Gasherd. Das ist mir egal. Ich bin's gewöhnt. Auch die Einrichtung konzentriert sich eher nur auf Schlafzimmer und Küche. Der Rest steht mehr oder weniger leer.

Ich liebe es, beim Singen und Pfeifen herumzugehen. Kreativität braucht Platz. Und davon brauche ich viel. Etwas, wo einfach nix ist. Meine Vorstellung von Wohnen entsprach immer schon einem großen, leeren Raum. Eines meiner Zimmer hier in der Wohnung ist im Prinzip nur zum Pfeifen, zum Singen und zum Probieren der Kostüme da.

Ich bin minimalistisch. Auch meine Inszenierungen im Theater werden als minimalistisch bezeichnet. Ich finde, man muss nichts Komplettes abbilden. Oft genügt nur eine Andeutung, um die Fantasie anzuregen. Insofern ist Minimalismus vielleicht doch nicht der richtige Ausdruck.

Im Theater produziere ich fast jede Woche ein neues Bühnenbild, während die Wohnung hier praktisch seit zehn Jahren unangetastet ist. Offensichtlich schaff ich es nicht, meinen Wohnbereich üppiger zu gestalten. Dabei hätte ich diesen Antrieb sehr gern. Ich stell mir das wie eine Inszenierung vor. Die Frage lautet: 'Wie müsste man ein Wohnzimmer inszenieren, damit es gemütlich ist? Was bräuchte man dazu?' Und genau dieser Gedanke strengt mich irrsinnig an. Darum lass ich es lieber gleich sein. Vielleicht fürchte ich mich einfach nur vor etwas Endgültigem. Diese Angst brauch ich im Theater nicht zu haben.

Obwohl: Ideen hätt' ich schon. Ich hab vor kurzem in Marseille alte Frachtschiffe gesehen und fotografiert. Diese Optik der farbigen, zum Teil rostigen Stahlrümpfe hat mir gut gefallen. So in der Art könnte ich mir auch meine Wände vorstellen. Ich mag diesen Touch von Rost, Industrie und Patina. Darum mag ich, was die Möbel betrifft, auch eher ältere Dinge, denen man die Zeit ansieht. Hätte ich ein ordentliches Budget, um Möbel einzukaufen, man würde mich auf Flohmärkten oder in Caritas-Lagern finden. Das würde mir schon Spaß machen. Ich freu mich über jedes Stück, das alt ist. Neulich wollten Freunde den Boden in der Küche ausbessern. Da gab's dann eine Streiterei um jede Kachel. Ein anderer Bekannter meinte, ich solle die große weiße Wand im Vorzimmer verbauen. Nix wird dort verbaut. Es ist doch wunderschön, dass da eben nichts ist, nur Weite.

Mir passt es hier gut. Wenn ich mir allerdings etwas aussuchen könnte, dann wäre das ein altes Haus in einem Park mit einer Mauer drum herum. Ich bin ja eher ein introvertierter Mensch. Auf der Bühne gibt man alles, man gibt sich selbst. Wohnen heißt daher für mich: die Welt aussperren, zur Ruhe kommen. Und: Wie gesagt, Wohnen ist schwierig. Es ist eine der Aufgaben, die ich noch nicht geschafft habe. Da gebe ich mich geschlagen, aber ich habe noch Hoffnung." (DER STANDARD, 30./31.3./1.4.2013)