Bei jedem Mal schnäuzen erinnert es einen an das Liebemachen.

Foto: Andrea Maria Dusl

Pro: Nachbarschaftlich
Von Margarete Affenzeller

Die Handtasche ist ein höchst geeigneter Aufbewahrungsort für ein Kondom. Bei jedem Mal schnäuzen erinnert es einen an das Liebemachen, was ja prinzipiell nur gut sein kann. Heutzutage, da Kondome nicht mehr aus Schafsdärmen oder anderen tierischen Membranen angefertigt werden, fällt man damit in der Öffentlichkeit auch gar nicht unangenehm auf.

Wenn wir alle nicht so sehr aufs Maul gefallen wären, würden wir uns die Präservative frisch von der Leber weg wie einen Kugelschreiber oder ein Hustenzuckerl auch bei einem zufälligen Nachbarn ausleihen (vorausgesetzt: diese Person trägt sie in der Tasche mit!). Macht aber keiner. Derlei Kundmachungen würden von unserem Intimleben einfach zu viel preisgeben. Und Automaten - die gibt's ja nicht mehr.

Gewiss hemmen derlei Vorkehrungen das Wachsen der Familienstammbäume. Müssen sie aber nicht. Man kann auch einfach mit dem Kondom in der Tasche herumspazieren und dann irgendwann damit einen Goldfisch nach Hause transportieren.

 

Kontra: Frische siegt
Von Ronald Pohl

Heute gleicht die Verbreitung des Kondoms einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. In den Tagen, als der Autor dieser Zeilen sich jeder Dame nur scheu zu nähern getraute, genoss der Verhütungsartikel ein bescheidenes Renommee. Der "Olla" oder "Präser" nistete in Blechkästen an der Pissoirwand. Rost umspielte die Mäuler der Maschinen. Wer sie in Gebrauch nahm, gehörte einem Geheimbund der Wissenden an.

Heute sind Kondome ein natürlicher Bestandteil des Einkaufszettels: Man findet sie im Drogeriemarkt in Sichtweite der Früchteriegel. Das ist insofern logisch, als man die formschönen Erzeugnisse der Vulkanisierkunst häufig mit Aromen versieht, die den Genuss einer bekömmlichen Mahlzeit vorgaukeln. Frisch müssen die Gummis sein. Und: Liebe geht durch den Magen.

Nun unterliegt aber auch der festeste Kunststoff dem Prozess der Alterung. Das erlahmende Kondom mit sich zu führen, im Handtäschchen (Dame) oder im Portemonnaie (Herr), könnte bedeuten, bald einen neuen Esser in der Familie begrüßen zu dürfen. (Rondo, DER STANDARD, 5.4.2013)