Mavie Hörbiger und Katharina Lorenz

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Foto: Jork Weismann

"Ich bin jetzt 34 und habe das Bedürfnis, eine Frau zu spielen", sagt Katharina Lorenz und schaut für einen Augenblick richtig trotzig aus. Kein süßes Mädel und auch kein verschlagenes Ding. Nein, eine richtige Frau. Jemand, die stark und selbstbewusst ist und nicht schon wieder die Projektionsfläche irgendwelcher Männer. Kein Gretchen und auch keine Ophelia.

Ein paar Tage vorher stand die deutsche Burgtheater-Schauspielerin gemeinsam mit Kollegin Mavie Hörbiger in den Hallen der früheren Radiostation in Bad Deutsch-Altenburg und scannte mit aufmerksamem Blick all die Röcke, Blusen und Jacketts auf den Kleiderständern: den verwickelten Intellektuellen-Anzug von Maison Martin Margiela, das Karokleinmädchenkleid von Louis Vuitton, die burschikose Holzfällerbluse von Dries Van Noten. Kein Kleidungsstück, das nicht eine eigene Geschichte erzählen würde - keine eigene Rolle spielen würde.

Beinahe automatisch greift Lorenz zum eng sitzenden Blazer, Mavie Hörbiger hat es dagegen das Wood-Wood-Kleid angetan. "Ich bin in einer Ralph-Lauren-Welt aufgewachsen", wird sie einige Tage später auf der Probebühne des Burgtheaters erzählen: "Die Mädchen trugen Perlenohrringe und Pferdeschwänze." Aus dieser Welt wollte sie schon früh ausbrechen. Eine andere Rolle spielen.

Opfer und manchmal auch Täterinnen

Lorenz und Hörbiger gehören zu einer Generation von Schauspielerinnen, die sich auf der Bühne bereits einen Namen gemacht haben, die nicht mehr ganz jung sind, aber immer noch als junge Dinger besetzt werden. In Barbara Freys Neuinszenierung des Liliom spielen sie Julie und Marie, das Dienstmädchen, in das sich der Praterstrizzi Liliom verliebt und deretwegen er seine Stellung aufgibt, und deren Freundin, die in der Welt nach oben kommen will. Die eine ist genauso sprachlos wie ihr Mann, der sie schlägt, die andere findet Worte, die sind so unerbittlich, dass sie schmerzen: "Seitdem wir Sie zueinander sagen", sagt Marie über ihren Mann "streiten wir uns nicht mehr." Zwei Frauen, die meistens Opfer sind und manchmal auch Täterinnen - und die in einer gänzlich anderen Welt leben, als dies Katharina Lorenz und Mavie Hörbiger tun. Projektionsflächen zu sein kommt den beiden Burgtheaterschauspielerinnen aber bekannt vor.

Am Tag des Fotoshootings wird am Abend der erste Tatort mit Til Schweiger laufen. Mavie Hörbiger spielt darin die Ex-Freundin von Schweiger, die jetzt mit seinem ehemaligen Kompagnon zusammen ist. Oft ist sie in Großaufnahme zu sehen, immer wieder scheint sich die Kamera an ihrem puppenhaften Gesicht festzusaugen. Am Ende wird sie leblos in der Badewanne liegen, eine Ophelia in der Hamburger Luxusherberge. Schön, fragil und sehr blass. "Ich kann es nicht mehr hören, dass ich in einer Rolle hübsch aussehe", sagt Hörbiger Tage später auf der Probebühne. "Ich möchte wissen, ob ich gut bin oder schlecht." Hörbiger dreht sich eine Zigarette und bittet einen Bühnenarbeiter mit ihrer tiefen, rauen Stimme um Feuer.

Mit ihren 1,58 Metern und Kleidergröße 32 ist Hörbiger auf Mädel- und Elfenfiguren festgelegt - im Film sowieso und auch oft auf der Bühne. Dabei ist der Münchner Spross aus dem Hörbiger-Clan 32 und hat (gemeinsam mit dem Schauspieler Michael Maertens) einen sechs Monate alten Sohn und eine dreijährige Tochter.

Töchter und burschikose Fräulein

Lorenz ist dagegen 1,74 Meter groß, mit breiten Schultern und einem durchtrainierten Körper, und darf neben klassischen Töchterrollen manchmal auch das etwas burschikosere Fräulein geben. Im Film wird sie selten besetzt, wahrscheinlich weil sie dafür zu markant ist. Spricht man die beiden auf die Rollen an, die ihnen in den meisten Fällen zugeschrieben werden, dann reagieren beide ziemlich aufgebracht. "Mit 23 bin ich zum Intendanten gegangen", erzählt Lorenz, "und habe ihm gesagt, dass ich keine kleinen Mädchen mehr spielen möchte." Beim Shooting schlüpft sie in beinahe jede Hose, die der Stylist mitgebracht hat. Das Hauptmerkmal ihres Stils sei, sagt sie, dass er schnörkellos sei. "Als ich jünger war, habe ich oft Jungenkleidung getragen." Als ihr Freund, der Schauspieler Peter Knaack, sie letztens in einem Geschäft gesucht habe, habe er sie versehentlich für einen Verkäufer gehalten. Mode als Möglichkeit, sich gegen eine ungeliebte Rolle aufzulehnen.

Damit hat auch Mavie Hörbiger viel Erfahrung. Sie, die zwar in München geboren ist, aber als Tochter des Nachtklubbarons Thomas Hörbiger schon als Kind und Jugendliche ein typisches Jetsetter-Leben führte, flog als Kind von der "englischen Fräuleinschule" in Augsburg. "In Collegeschühchen sah ich bescheuert aus", sagt sie, "ich wollte mich schon immer von den hübschen, sauberen Mädchen unterscheiden." Erst kleidete sie sich in Stüssy, dann kam Vivienne Westwood, später griff sie zu Helmut Lang. Mode als Gegenprogramm. Auf der Probebühne des Burgtheaters trägt sie eine pyjamaartige Hose, während des Shootings legt sie großen Wert darauf, nicht wie ein kleines Mädchen zu erscheinen. Das Make-up ist ihr zu aprikotfarben, der Farbton der Extensions nicht ideal. "Frauen wird immer gleich vorgeworfen, zickig zu sein", sagt sie, "dabei sagen sie meist nur das, was sie wollen - oder eben nicht wollen!" Zum Beispiel auf die Rolle kleiner Mädchen festgelegt zu werden. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 5.4.2013)