Grafik: Wall Street Journal

Der Druck auf den Silberpreis wächst. Am Dienstag verstärkten schwache Industriedaten aus den großen Volkswirtschaften die Sorge der Anleger, dass sich der Kursrutsch des Edelmetalls seit Jahresanfang zu einer Talfahrt verschärft.

Silber hat seit Oktober mehr als 20 Prozent an Wert eingebüßt. Im laufenden Jahr ist das Metall stärker gesunken als die meisten anderen Rohstoffe, und auch mehr als Gold. An den Terminmärkten nehmen die Wetten auf einen weiteren Preisverfall zu. Erstmals seit September 2007 könnten sie bald die ausstehenden Kontrakte auf steigende Preise übertreffen, zeigen Daten der amerikanischen Terminmarktaufsicht CFTC. Am Dienstag kostete Silber zum Handelsschluss an der New York Mercantile Exchange 27,217 Dollar je Feinunze – ein Minus von 2,5 Prozent.

Viele Anleger haben sich von Silber abgewendet, weil es am Aktienmarkt mehr zu verdienen gibt. Am Dienstag schlossen die beiden großen US-Indizes Dow Jones und S&P 500 erneut auf Rekordhochs. Andere Investoren sehen keine Notwendigkeit mehr, Silber als Inflationsschutz zu halten, da die Teuerung in den meisten Staaten unter Kontrolle ist.

Stärker gefallen als der Silberpreis

Mit wachsender Gewissheit, dass die Erholung der weltweiten Industrieproduktion zu Erliegen kommt, sorgen sich Anleger, dass die Industrienachfrage – zuletzt eine der Hauptträger des Silberpreises – ebenfalls abbröckelt. Silber wird in vielen High-Tech-Branchen eingesetzt, beispielsweise für Solarpanelen oder elektronische Geräte.

Die Sorge um die Konjunktur ist einer der Gründe, warum Silber im laufenden Jahr stärker gefallen ist als der Goldpreis. Anleger kaufen beide Edelmetalle als Absicherung gegen Inflation, aber nur für Silber gibt es eine nennenswerte industrielle Nachfrage. Seit Anfang Januar ist der Preis um 10 Prozent gefallen, Gold hat sich bisher um 6 Prozent verbilligt.

"Weniger iPhones, weniger Nachfrage nach Silber", bringt es Sean McGillivray, Leiter Asset Allocation bei Great Pacific Wealth Management, auf eine griffige Formel. Für die Investmentfirma, die 10 Millionen Dollar verwaltet, hat er erst am Dienstag neue Kontrakte gekauft, mit denen er von einem fallenden Silberpreis profitiert.

Obwohl Silber bereits seit sechs Monaten fällt, haben sich an den Futures-Märkte die Wetten auf einen Kursverfall erst in den vergangenen sechs Wochen gehäuft. Diese Ungleichheit deute darauf hin, dass sich die Investoren auf einen noch steileren Absturz vorbereiten, sagen Analysten.

Positionen verkaufen

Vergangene Woche lag die Zahl der ausstehenden Wetten auf steigende Preise laut der Regulierungsbehörde CFTC noch um 1.075 Kontrakte über den Baisse-Spekulationen. Anfang Februar hatte zwischen Bullen und Bären noch eine Kluft von mehr als 30.000 Kontrakten gelegen. Jeder Kontrakt verbrieft das Recht auf eine Lieferung von 5.000 Feinunzen Silber.

Fain Shaffer, Chef des Rohstoffhändlers Infinity Trading Corp, hatte im vergangenen Sommer angefangen, Silber-Futures zu kaufen. Jetzt will er seine Positionen verkaufen, sobald der Preis das nächste Mal steigt. "Unsere Strategie sieht jetzt so aus, dass wir gegen Silber wetten werden, sobald es irgendeine Art von Rally gibt", sagt er.

Seit 2011 hat der Silberpreis drei Bärenmärkte durchlebt, ist also jeweils um mehr als 20 Prozent gefallen. Im langfristigen Vergleich sind die Preise trotzdem noch hoch. Und es gibt Anzeichen für Krisen – das Rettungsprogramm für Zyperns Banken etwa -, die Anleger wieder in den sicheren Hafen der Edelmetalle treiben könnten. Auch drucken die weltweiten Zentralbanken als Teil ihrer Konjunkturspritzen unvermindert Geld, was Inflationsängste am Leben hält.

"Wir sind überrascht, dass die Nachfrage nach Silber angesichts all der Risiken, die durch die Bankenprobleme in Zypern und das anhaltende Quantitative Easing der Federal Reserve entstehen, nicht höher ist", sagt Jerry Jerry Slusiewicz, Chef von Pacific Financial Planners – einem Vermögensverwalter, der für institutionelle und reiche Privatkunden Anlagen im Wert von 90 Millionen Dollar betreut. Allerdings hält auch er seit April 2011 kein Silber mehr. Damals erreichte das Metall ein Allzeithoch.

Angebotsüberschuss droht

Als der Preis für Silber im Jahr 2010 erstmals kräftig anzog, lag das an der Erwartung der Anleger, dass die Milliarden-Stimuli der Notenbanken sowohl die Inflation als auch die Industrie-Nachfrage nach Silber anheizen würden. Es folgte eine heiße Rally, die den Preis bis auf fast 50 Dollar je Feinunze trieb, ehe es zu einem ersten Einbruch kam. Seither geht es unter zum Teil kräftigen Schwankungen tendenziell abwärts.

Jetzt fürchten einige Investoren ein Worst-Case-Szenario für das Edelmetall, in dem die Konjunktur zu schwach ist, um die industrielle Nachfrage anzukurbeln, aber gleichzeitig zu stark, um eine erneute Ausweitung der Geldspritzen der Notenbanken zu entfachen.

"Wenn sich die Konjunktur verbessert, steigt die Nachfrage nach Silber, aber der Rückenwind von der Federal Reserve lässt nach. Und wenn sich die Konjunktur nicht verbessert, gibt es keine Industrie-Nachfrage", sagt Andy Rosenberger, Fondsmanager bei Brinker Capital. Er habe im Dezember, als sich die Inflationssorgen beruhigten, die Anteile seines Fonds am Silber-ETF iShares Silver TrustSLV -2,81% verkauft.

Sollte die Silber-Nachfrage aus Europa und China hinter den Erwartungen zurückbleiben, könnte sich am Markt ein Angebotsüberschuss bilden. In diesem Fall würde der Druck auf die Preise noch einmal zunehmen, erwartet Bart Melek, leitender Rohstoffstratege bei TD Securities.

Münzen bleiben im Kurs

Immerhin bleibt die Nachfrage derjenigen, die Silber gerne physisch halten und meist einem langfristigen Anlageansatz folgen, hoch. Im Januar verkaufte die staatliche amerikanische Münzprägeanstalt mit 7,5 Millionen Feinunzen so viele Silbermünzen wie nie zuvor. Im ersten Quartal lagen die Münzverkäufe 40 Prozent über denen im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Auch Nick Halley, 70-jähriger Brigadegeneral im Ruhestand, hat in den vergangenen Jahren Silbermünzen gekauft. Er sieht den jüngsten Preisrutsch als Kaufgelegenheit. Er hält Silber und andere Edelmetalle, weil er sich vor Inflation sorgt und glaubt, dass die Fiskalpolitik der US-Regierung den Dollar schwächen wird. "Es macht mich nicht nervös, wenn der Markt um 20 Prozent fällt, da ich nicht vorhabe, in den nächsten 5 oder 10 Jahren zu verkaufen", sagt Halley.

Die Feinunze Gold kostete zuletzt 1.567,03 Dollar, verglichen mit gut 1.576 Dollar im späten US-Handel und noch mehr als 1.600 Dollar im asiatischen Handel am Dienstag. Silber kostet 27,02 Dollar nach knapp 27,30 am Dienstagabend in den USA und 28,15 Dollar in Asien am Dienstagmorgen. (Tatyana Shumsky, Wsj.de/derStandard.at, 03.04.2013)