Ein Gemeinschaftsprojekt, das Kartell mit dem Bäder-Spezialisten Laufen präsentierte.

Foto: Hersteller

Claudio Luti (66) war einst Geschäftsführer von Versace, dann übernahm er Kartell, das vor allem für seine Kunststoffmöbel berühmt wurde.

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STANDARD: Wie kamen Sie zu Kartell?

Claudio Luti: Ich habe mit Gianni Versace sein Mode-Imperium mitbegründet, habe dann meine Anteile verkauft und vor beinahe 25 Jahren Kartell übernommen. Ich war auf der Suche nach Kreativität und nach Menschen, die gewohnt waren, im industriellen Kontext zu arbeiten, die aber auch meine Idee teilten, Qualität, Industrie und Emotion zu verbinden. Ich begann mit Philippe Starck, Antonio Citterio, Vico Magistretti, bald kamen Piero Lissoni, Ferrucio Laviani und Patricia Urquiola und andere hinzu. Ich mag es, kontinuierlich mit einer überschaubaren Gruppe von Menschen zusammenzuarbeiten.

STANDARD: Warum?

Luti: Die Kontinuität ist wichtig, der Designer muss wissen, was eine Firma wie Kartell braucht. Bevor er zum Stift greift, um einen Entwurf zu machen, muss er exakt wissen, wofür das Unternehmen steht, was seine Positionierung ist, welche Bereitschaft sie hat, Risiken zu ergreifen, wie innovativ sie sein möchte. Um das herauszubekommen, müssen wir viel Zeit miteinander verbringen.

STANDARD: Wer kümmert sich um dieses Miteinander?

Luti: Ich, das kann mir kein Art-Director und kein Assistent abnehmen, auch kein Ingenieur oder Leute aus dem Verkauf. Die Aufgabe, mit der Kreativität umzugehen, das ist so delikat, das hat so viel mit der DNA, mit dem Kern des Unternehmens zu tun, dass sich der Chef darum kümmern muss.

STANDARD: Es geht nicht allen italienischen Möbelfirmen gut.

Luti: Nun, manche italienische Firmen haben sich zu sehr auf die Innovation versteift. Es ist zum Beispiel ein großer Fehler, wenn man den Vertrieb vernachlässigt. Dann kann man sehr leicht sein Investment verlieren. Der Auftritt vom Shop über Kataloge bis zum Online-Auftritt muss stimmig und ganzheitlich sein. Meine Idee, die Distribution zu kontrollieren, entstammt der Mode. Wir wollen das Leben in den Flagship-Stores steuern. Jeden Monat verändern wir die Schaufenster, überall in der Welt. Obwohl es bei Kartell nicht um Mode geht, bin ich zu hundert Prozent von dieser Strategie überzeugt.

STANDARD: Die Fragen bezüglich Umwelt beschäftigen uns alle. Gerade Kunststoffe stehen da nicht im besten Ruf. Beschäftigt Sie das?

Luti: Allerdings. Sehr viele Produkte werden aus Kunststoff gefertigt, um sofort weggeworfen zu werden. Das ist nicht mein Weg. Viele Dinge, die wir herstellen, kann man mindestens zehn, zwanzig Jahre nutzen, eher länger. Nach seiner Nutzungsphase muss ein Produkt recyclebar sein. Schon heute können wir Recyclat-Kunststoff in vielen Produkten neu nutzen. Beim Recycling sollte Kunststoff an erster Stelle stehen. So werden wir zur Kunststoffproduktion weniger auf Öl angewiesen sein. Keinesfalls dürfen wir den Fehler machen, Rohstoffe auf dem Feld anzubauen. Das bringt uns in eine gefährliche Konkurrenz zu Nahrungsmitteln.

STANDARD: Im vergangenen Jahr wurden Sie zum Präsidenten von Cosmit, dem Veranstalter des Mailänder Salone del Mobile, gewählt. Weshalb haben Sie diese Aufgabe übernommen?

Luti: Meine Vision ist es, dass Mailand zum wichtigsten Anziehungspunkt werden soll. In diesem Jahr ist der Salone del Mobile ausgebucht. Derzeit setzt wieder eine stärkere Rückkehr der Aussteller auf die Messe ein, sie ist der optimale Ort, um Kontakte zu pflegen. Außerhalb der Messen finden Partys und Events statt, doch sie können eine Messe nicht ersetzen. Es ist sehr wichtig, die Messe zu nutzen, um der italienischen Industrie zu helfen, ihren Export zu stärken. Das ist das beste Instrument, wie man - ohne viel Geld einzusetzen - eine Menge Kunden treffen kann.

STANDARD: Auf der Mailänder Möbelmesse haben Sie zum ersten Mal den Designprozess in den Fokus des Messestandes gestellt. Interessiert sich ein Käufer normalerweise für den Entstehungsprozess von Design?

Luti: Es ist nicht so einfach, die Details zu erzählen, die Momente zu vermitteln, in denen sich ein Projekt entscheidet, wo die Unterschiede in der Qualität liegen. Kennt man die Geschichte eines Produktes, kann man Original und Kopie sofort auseinanderhalten. Dafür ist mir persönlich auch das Kartell-Museum wichtig und das Buch, das gerade im Taschen-Verlag erschienen ist. Wenn man begreift, welche Geschichte hinter dem Unternehmen steckt, hilft das sehr. In Regionen, in denen Design später ankam, in Asien oder Lateinamerika zum Beispiel, hat das eine große Bedeutung. Die Geschichte macht den Unterschied aus.

STANDARD: Eine Firma wie Kartell kann jederzeit eine Ikone feiern. Gerade ist "Louis Ghost" von Philippe Starck zehn Jahre alt geworden. Wie wichtig ist es, die eigene Geschichte im Blick zu haben?

Luti: Ich versuche, jedes Projekt wie eine potenzielle Ikone zu behandeln. Manchmal gelingt es, dann wieder nicht. Um ein Produkt zum Leben zu erwecken, gebe ich die bestmögliche Unterstützung. In 25 Jahren musste ich nur fünf Produkte aus dem Katalog streichen. Das ist ein großer Erfolg. Nicht alle sind so erfolgreich wie "Louis Ghost".

STANDARD: Wenn man so arbeitet wie Sie, kann man dann ein Lieblingsprojekt haben?

Luti: Nein, wie gesagt partizipiere ich sehr intensiv an der Entwicklung jedes Produktes. Zunächst mit den Designern, dann mit den Technikern. Es gibt nichts, was ich nicht mag. Wenn doch, dann würde ich es stoppen. Jedes ist wie ein Kind für mich. Entscheidend ist der Tag der Vertragsunterzeichnung für die Produktionsform und der Tag des Produktionsstarts. Beides geht nicht ohne mich. Also gibt es kein Kartell-Produkt, das ich nicht mag. Natürlich gibt es Unterschiede. Manche Projekte begeistern mich von der ersten Sekunde an, andere brauchen zwei Monate, bis ich überzeugt bin. Das hängt von der Erfahrung, vom Gefühl, von der Vision ab. Es ist eine schöne Arbeit. (Thomas Edelmann, Rondo, DER STANDARD, 12.4.2013)