Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung. Das dachte sich auch die ÖVP, als klar wurde, dass die Alpenfestung nach dem Fall des Bankgeheimnisses in Luxemburg gegen den Druck der übermächtigen Gegner nicht zu halten war. Mit einem Rundumschlag gegen britische Steueroasen glaubt die angezählte Finanzministerin Maria Fekter offenbar ernsthaft, wieder auf die Beine zu kommen. Ihr Chef Michael Spindelegger flankiert seine Schatzmeisterin und untermauert damit, dass man für die innenpolitische Show die Beschädigung außenpolitischer Beziehungen in Kauf nimmt.

Ein französischer Minister spricht schon von einer schwarzen Liste, auf die Österreich in Sachen Steuerkooperation gesetzt werden müsse. Weitere Reaktionen dürften nicht lange auf sich warten lassen. Das Krisenmanagement im Gefolge der Veröffentlichungen um Offshore-Leaks war und ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Ausgerechnet die für soziale Gerechtigkeit und Vermögenssteuern kämpfende SPÖ bekräftigte tagelang das Festhalten am Bankgeheimnis, wohl wissend, dass unter dessen Schutz Milliarden an ausländischen Schwarzgeldern in Österreich gebunkert werden.

Am Montag, einen Tag nach dem luxemburgischen Schwenk, beendete der Bundeskanzler dann die Posse und erklärte die Bereitschaft, in Richtung automatischen Datenaustauschs zu verhandeln. So öffentlich musste noch selten ein europäischer Regierungschef kapitulieren, um größeren Schaden abzuwenden. Die ÖVP hat das noch nicht geschnallt. Erst provozierte die Finanzministerin die EU mit der Aussage, dass der Informationsaustausch zwischen den Finanzämtern über die Erträge ausländischer Anleger, dass also diese einstimmig beschlossene Richtlinie lediglich zu einem Datenfriedhof führe.

Dann ließ sie ihren Kapitalmarktbeauftragen Wolfgang Nolz Klartext reden, der Steuerhinterzieher als Lämmer bezeichnete, die sich nicht einfach auf die Schlachtbank ihres Finanzamtes führen ließen. Nachdem der Kanzler als Verbündeter eingeknickt war, brachte Fekter schließlich verfassungsrechtliche Bedenken vor, die bisher weder Juristen noch ihr Klubobmann Karlheinz Kopf nachvollziehen konnten. US-Bundesstaaten und Großbritannien in konzertierten Doppelinterviews mit Spindelegger in Kurier und Presse pauschal als Geldwäscheparadiese zu verunglimpfen war der bisher letzte Höhepunkt.

Nun sind Kanal- wie Karibik-Inseln im Einflussbereich Ihrer Majestät sowie das US-Eldorado Delaware für internationale Steuerhinterziehung tatsächlich ein weit zentraleres Thema als das österreichische Bankgeheimnis. Doch solche Initiativen müssen koordiniert vorgebracht werden, wofür die Chancen gar nicht schlecht stehen. Ein Vorstoß für mehr Steuermoral ausgerechnet vom Schmuddelkind wird rasch zum Bumerang.

Man kann sich in etwa vorstellen, welche Wertschätzung eine Regierung auf dem internationalen Parkett genießt, die einen derartigen Hang zum Fettnäpfchen hat. Dabei wäre die Situation gar nicht so ausweglos gewesen, wie Luxemburgs Vorgangsweise zeigt. Der klare Schwenk des Großherzogtums, immerhin seit Jahrzehnten verpönte Steueroase, hat dem Land großen Applaus eingebracht. Österreich wird zum gleichen Ergebnis - also zum EU-Datenaustausch - gelangen, im Gegensatz zum einstigen Verbündeten aber erst nach unwiederbringlichem Verlust von Ansehen und Einfluss. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 12.4.2013)