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Die sri-lankische Stadt Kandy hat für jede Saison und jeden Anlass die passenden Tanzschritte parat. Von der Esala Perahera, dem großen buddhistischen Tanzfestival im August, gibt es in der Kandyan Art Association Hall bereits täglich eine abgespeckte Version zu sehen.

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Göttin Pattini, das Idealbild einer ergebenen und tugendhaften Gattin, bekommt heute nichts geschenkt. Am Freitag haben die Pantheru-Männer, die ihren Namen zwar vom sri-lankischen Tamburin beziehen, aber nur ihr zu Ehren tanzen, in Kandy wohl frei. Das ist ziemlich ungerecht, denn ein bisschen mehr Tingeltangel hätte sich das vergötterte Mädel vom Land schon verdient. Immerhin begann Pattinis Mann Kovalan, als sie noch die bescheidene, profane Kannakai war, ausgerechnet mit einer Tempeltänzerin eine Affäre. Und da könnten Sri Lankas moderne Männer heute ruhig ein wenig Tanz machen für die bedeutendste weibliche Gottheit der Singhalesen. Tun sie aber nicht, zumindest nicht täglich. An diesem Freitag ist Vannama dran, der Tanz der Tiere in 18 Szenen.

Doch Gemach: Gerade die Artisten von Kandy, der alten singhalesischen Königsstadt im Hochland von Sri Lanka, müssen sich ihre Kräfte nunmehr gut einteilen. Denn waren die Kandy-Tänze früher noch eine seltenere Begleiterscheinung buddhistischer Zeremonien, werden sie heute jeden Abend zelebriert: für die zahlenden Touristen.

Nun ist es zwar auch nicht so, dass die Aufführungen auf der Bühne der Kandyan Art Association Hall dadurch besonders banal geworden wären. Ja nicht einmal die an einen westlichen Zirkus erinnernden Feuerschlucker und Tellerjongleure sind hier deplatziert, weil sie tatsächlich immer Bestandteil der traditionellen Choreografien waren. Doch einen vielstündigen Kandy-Tanz mit den typischen vier aufeinanderfolgenden Szenen - Pantheru eben, Naiyandi, Udekki und Ves -, stehen halt nur noch die wenigsten Westler auf der Suche nach "authentischer" und doch kurzweiliger Zerstreuung bis zum Ende durch.

Der Vannama-Tanz scheint dagegen das "ideale touristische Produkt" zu sein - auch wenn es die kunstvoll umgesetzten Sequenzen nicht verdient haben, als solches bezeichnet zu werden: ein wenig "Brehms Tierleben" für alle, die beim Strandurlaub keine Zeit hatten, Sri Lankas beeindruckende Fauna zu studieren, und auch ein wenig Südostasien-Modeschau, weil eben die Kostüme nur in und zu diesem Teil der Welt passen. Wie etwa ein Pfau stolziert, wird gezeigt, wie ein Elefant schreitet und welche typischen Bewegungsmuster den Affengott Hanuman von der Naga-Schlange aus der indischen Mythologie unterscheiden. Das ist ganz großes Theater für die ganz großen Gefühle: Die nachgeahmten Bewegungen von Tieren verkörpern letztlich höchst menschliche Empfindungen wie Freude, Schmerz oder Sehnsucht.

Die Choreografien des Alltäglichen spielen sich aber heutzutage auch in Kandy längst anderswo ab: in der Cargills Food City etwa, die ihren hochtrabenden Namen zwar von einem internationalen Lebensmittelkonzern bezieht, zum Glück aber ein echter asiatischer Markt geblieben ist. Wechseln hier die frischen Papayas und Mangos an einem Freitagmorgen den Besitzer, wird im geschäftigem Treiben der Quickstep getanzt: einen langen Vorwärtsschritt in Richtung Obststand, und schon folgt darauf seitwärts ein Chassé - schnell, schnell, lang - nur weg von den Massen. Denn jetzt drängen die Currychefs aus den Garküchen in der Dalada-Veediya-Straße, um quasi für die "Speisung der Fünftausend" Zutaten zu kaufen. So viele Gäste - vorwiegend aus Sri Lanka, aber auch ausländische Touristen - besuchen täglich den "Tempel des Heiligen Zahns" , und sie wollen danach etwas zu beißen.

Kandys "Zahntempel" oder Sri Dalada Maligawa, wie er richtig heißt, ist gewissermaßen die traditionelle Vorlage für die Sitte, täglich in Kandy zu tanzen: Jeden Tag dreimal sogar, um halb sechs und halb zehn in der Früh und um halb sieben am Abend, wird hier bei den Puja-Zeremonien ein Eckzahn des historischen Buddha Siddhartha Gautama als Reliquie umtanzt. Dezent zwar nur und zu monoton-meditativen Trommelschlägen - aber niemand könnte hier auch nur im Scherz behaupten: Was führt Kandy doch für Tanz auf, nur wegen der Touristen! (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Rondo, 12.4.2013)

Der Vannama-Tanz ist ganz großes Theater für die ganz großen Gefühle: Bewegungen von Tieren verkörpern höchst menschliche Empfindungen wie Freude, Schmerz oder Sehnsucht.