Der Mensch gewöhnt sich bekanntlich an Vieles. Steigende Preise, der größere Druck am Arbeitsmarkt: Man murrt nicht mehr, schließlich könne man ohnehin nichts tun. Dieser Gewöhnungseffekt zeigt sich auch im Umgang mit rassistischen und hetzerischen Aussagen. Parolen, die vor zwanzig Jahren noch empört hätten, rufen heute vielerorts nur ein Schulterzucken hervor. Das jüngste  Beispiel dafür ist der in einem Presse-Interview vom Salzburger FPÖ-Spitzenkandidaten Karl Schnell geäußerte Spruch, dass es "in gewissen Bereichen" eine "Umvolkung" gebe. Schnell bedient sich damit eines Begriffs, der in der NS-Zeit geprägt wurde, um Rassenbegriffe zu zementieren und den Vernichtungskrieg im Osten zu ideologisieren. Karl Schnell weiß das. Wir alle wissen das. Doch der Aufschrei blieb aus.

Die Salzburger Wahlkampf-Konkurrenz gab sich verhalten. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ), die in den vergangenen Monaten stets offen für eine mögliche FPÖ-Regierungsbeteiligung gezeigt hatte, schwieg erst einmal. Als dann die Medien begannen, bei ihr anzuklopfen, reagierte sie mit Verzögerung und einigermaßen zaghaft: Sie sehe in Schnells Aussage "nicht mehr als einen plumpen Versuch der Stimmenmaximierung", meinte die Landeshauptfrau. Fremdenfeindlichkeit habe in einer SP-geführten Regierung keinen Platz. Auf die Frage, was Schnells Aussage für seine Eignung als Regierungspartner bedeute, schwieg Burgstaller hingegen. Die übrigen Parteien übten zwar Kritik, doch auch sie lieferten umgehend eine Einordnung des Gesagten: Die Blauen seien ja nur nervös wegen Stronach, so der Tenor - deshalb das vermehrte Setzen auf das "Ausländerthema".

Das stimmt zwar. Doch handelt es sich dabei nicht nur Wahlkampfgeplänkel. Der Gewöhnungseffekt hat alle erwischt: die Parteien, die Redaktionen, die BürgerInnen. Wer mit dem Finger auf die rassistische Propaganda zeigt, muss sich immer öfter fragen lassen: Und überrascht dich das etwa, dass die Freiheitlichen rassistisch argumentieren? - Nein, es überrascht nicht. Aber aufregen sollte es uns schon.

Wenn Schnell von "Umvolkung" spricht und Heinz-Christian Strache ihm tags darauf in der "Kronen Zeitung" und auf Facebook noch den Rücken stärkt, wenn Begriffe wie "Massenzuwanderung" und "Asylbetrug" tief ins Unbewusste eingehämmert werden, dann betrifft uns das alle. Es spaltet die Gesellschaft, treibt einen Keil in sie, schürt Hass auf beiden, von den Rechtspopulisten mühsam konstruierten, Seiten. Das gesellschaftliche Klima wird vergiftet. Darunter leiden jene, die zur Zielscheibe der rassistischen Propaganda werden, am allermeisten. Aber in letzter Konsequenz leiden alle. Das kann niemand befürworten.

Davon abgesehen beruht die Propaganda der Freiheitlichen auf inhaltlichen Fehlern. Von welcher Massenzuwanderung spricht Schnell? Jener der Deutschen, der größten Zuwanderungsgruppe der vergangenen Jahre? Es reicht ein Minimum an Kenntnis der blauen Ideologie, um zu wissen: Die Deutschen sind wohl nicht gemeint. Die Slogans zielen vielmehr großteils auf jene Menschen ab, die gar nicht im Fokus der Migrationspolitik stehen können - weil sie bereits seit Jahrzehnten hier leben oder hier geboren sind. Was Strache zwischen den Zeilen anspricht, mögen zum Teil wahre Probleme sein: Vererbte Bildungsmängel etwa, der ungelenke Umgang mit religiösem Fundamentalismus. Bildung wird aber nicht nur bei Zuwandererfamilien vererbt, und auch religiöser Fanatismus ist keine Frage der Staatsbürgerschaft. Das alles sind keine Zuwanderungsprobleme.

Würde der FPÖ-Obmann dies zugeben, dann käme ihm jedoch ein Feindbild abhanden, das er für den Konkurrenzkampf mit Frank Stronach dringend braucht. So hetzt er munter weiter, spricht jetzt von "Bevölkerungsaustausch" statt von "Umvolkung", wählt also für dieselbe paranoide Propaganda nur einen anderen Begriff. Die Hetze bleibt dieselbe. Es ist zu erwarten, dass mit fortschreitender Wahlkampfdauer noch weitere solcher Wortkreationen auf uns niederprasseln werden, und der Mensch gewöhnt sich bekanntlich an Vieles. An manches sollten wir uns besser nicht gewöhnen. (Maria Sterkl, derStandard.at, 16.4.2013)