Washington - Die anhaltend schwache Wirtschaftslage in der Eurozone sorgt weiter für Besorgnis unter den Top-Wirtschaftsmächten. "Eine stärkere Nachfrage in Europa ist wichtig für das globale Wachstum", sagte US-Finanzminister Jack Lew anlässlich der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank an diesem Wochenende in Washington.

Der Amerikaner begrüßte die Debatte der Europäer, ihre Konjunktur "durch eine angemessene Mischung volkswirtschaftlicher Werkzeuge" anzukurbeln. Vor allem die starken Staaten sollten in Wachstum investieren, um die "anstrengenden" Sparmaßnahmen der Krisenländer abzufedern.

Die Abschlusserklärung der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrienationen und Schwellenländer (G-20) machte die Rezession in der Währungsunion konkret zum Thema: "Die Erholung in der Eurozone muss sich noch voll verwirklichen", heißt es in dem Papier. "In vielen Ländern ist das globale Wachstum weiterhin zu schwach und die Arbeitslosigkeit zu hoch."

Konjunktur schrumpft

Während die Weltwirtschaft in diesem Jahr nach IWF-Berechnung um 3,3 Prozent wachsen soll, schrumpft die Konjunktur in der Eurozone um 0,3 Prozent. Auch im kommenden Jahr soll sie mit 1,1 Prozent Wachstum im Vergleich eher schwach dastehen.

Auf einem Außenpolitik-Forum in Washington am Rande der Tagung dämpfte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Hoffnungen auf anhaltend hohe Zuwachsraten. "Niemand sollte erwarten, dass Europa hohe Wachstumsraten erzielen wird."

Wirtschaft ankurbeln

EU-Währungskommissar Olli Rehn bezeichnete vor allem die weitere Erholung des Finanzsektors als unentbehrlich für eine Ankurbelung der Wirtschaft. "In der EU herrscht Bedarf an langfristigen, produktiven Investitionen, die finanziert werden müssen", schrieb er in einer Erklärung. Es gebe aber noch viele Faktoren, die verhinderten, dass das benötigte Geld im Bankensystem zielgerichtet fließe. Zuvor hatte der IWF in seinem globalen Finanzstabilitätsbericht beklagt, dass vor allem in den ärmeren Eurostaaten wegen Schwächen im Finanzsystem die günstigen Kredite noch nicht bei kleineren Unternehmen ankämen.

Die G-20-Finanzminister riefen die Eurozone zu "nachdrücklichen" Schritten hin zu einer Bankenunion auf. "Die jüngsten Ereignisse in Zypern haben die Wichtigkeit ebenfalls hervorgehoben", sagte Lew. Deutschland mahnt beim Aufbau der entsprechenden Behörde allerdings eine rechtlich sichere Basis an und pocht auf eine Änderung der europäischen Verträge, um einen Abwicklungsmechanismus für Pleitebanken zu entwickeln. Dies könnte den Prozess verzögern.

Uneinigkeit über Sparkurs

Uneinigkeit gab es bei der Tagung weiterhin über den richtigen Sparkurs für Europa. Die G-20-Abschlusserklärung nannte für die Konsolidierung der Etats keine konkreten Ziele. Es hieß nur, dass die großen Volkswirtschaften mittelfristig weiter ihre Staatshaushalte sanieren müssten. Speziell wurden die USA und Japan genannt. "Die Sprache hätte ehrlich gesagt stärker sein können", sagte der kanadische Finanzminister Jim Flaherty. Die Erklärung genüge aber, damit die G-20 wollen beim Gipfel im September in Sankt Petersburg ihre Strategien vorlegen könnten.

Schäuble forderte weitere Sparanstrengungen: "Der Prozess der Reduzierung der hohen Defizite muss fortgesetzt werden." Berlin fordert konkrete Verpflichtungen zum Defizitabbau. Nach den bisherigen Vorgaben vom Gipfel in Toronto 2010 sollten die G-20 ihre Haushaltsdefizite bis 2013 halbiert und den Schuldenstand bis 2016 stabilisiert haben. Die Defizitvorgaben hat die Euro-Zone insgesamt im Schnitt eingehalten, etliche G-20-Staaten dagegen nicht.

OECD: Schwächen im Bankensektor Kardinalproblem

Die OECD hält die Schwächen im Bankensektor für das Kardinalproblem der Wirtschaft in Europa. "Die Zersplitterung und Instabilität des Banken-Systems bleibt das grundlegende Problem hinter der schwachen Kredit-Verfügbarkeit und dem geringen Wachstum in der Euro-Zone", sagte der Generalsekretär der Industrieländer-Organisation Angel Gurria vor dem Lenkungsausschuss (IMFC) des IWF. "Dies gibt zu umso größerer Sorge Anlass, weil die europäische Wirtschaft weit mehr als die US-Wirtschaft von Bankfinanzierungen abhängig ist."

Hinzu komme der in Europa fortbestehende enge Zusammenhang zwischen Banken- und Staatsschuldenproblemen. "Eine umfassende Banken-Union ist daher im Euro-Raum nötig, nicht nur für die Zukunft, sondern auch, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen", forderte Gurria. Vor allem für langfristige Investitionsvorhaben werde es wegen der Mängel im Bankenbereich immer schwieriger, Finanzierungen zu bekommen.

Wachsende Kluft

Gurria beklagte Anzeichen an den Welt-Finanzmärkten, dass diese sich wieder von den grundlegenden ökonomischen Entwicklungen abkoppelten. "Diese wachsende Kluft zwischen Finanz-Sektor und Realwirtschaft sollte zur Sorge Anlass geben", mahnte er. Insbesondere die großen Banken hätten offenbar nach der großen Finanzkrise ihre Geschäftsmodelle weniger grundlegend geändert als gedacht. "Die Banken bleiben übermäßig abhängig von Handelsaktivitäten und Derivaten", sagte Gurria. Scharfe Korrekturen auf den Anleihenmärken schloss er nicht aus.

Die Notenbanken sieht Gurria auch weiterhin in einer Schlüsselrolle, um mit geldpolitischen Mitteln die Nachfrage zu stützen. In den meisten OECD-Ländern sehe er noch Raum für geldpolitische Lockerungen zugunsten der Realwirtschaft. Die unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken sollten erst einmal aufrechterhalten und in einigen Fällen fortgeführt werden. (APA, 20.4.2013)