Diesmal sind die USA nicht in den Irak einmarschiert und haben keine Foltercamps errichtet. Dennoch war die Fahndung nach den Attentätern vom Bostoner Marathon erneut von einer Überreaktion geprägt, die sich nur mit der ungewöhnlichen Haltung der Amerikaner zu Terror erklären lässt. Wegen eines einzelnen, schwer verwundeten Verdächtigen wurden Millionen in ihren Häusern eingesperrt, wurde eine ganze Metropole lahmgelegt.

So groß der Schock durch die Bomben beim Marathon auch war und so blutig die Spur, die von den Brüdern auf der Flucht hinterlassen wurde - für die Bewohner von Boston war die tatsächliche Gefahr, die von ihnen ausging, doch sehr gering. Und geholfen hat es der Polizei auch nicht, dass sich alle in ihren Heimen verriegelten. Gefasst wurde Dschochar Zarnajew erst, als ein Bürger nach Ende der Ausgangssperre in seinem Garten Ausschau hielt.

Auch die ständigen Wortmeldungen von US-Präsident Barack Obama und der öffentliche Jubel nach der Festnahme trugen dazu bei, aus dem Drama mehr zu machen, als es tatsächlich war: die Einzeltat von zwei Fanatikern, die bei allem Mitgefühl mit Opfern und Angehörigen in der US-Kriminalitätsstatistik kaum auffallen wird.

Kein anderes Land geht so neurotisch mit Terror um wie die USA. Abseits der wirtschaftlichen und menschlichen Kosten müsste man sich fragen, ob solche Reaktionen nicht genau den Terroristen in die Hände spielen. (Eric Frey, DER STANDARD, 22.4.2013)