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Foto: apa/Barbara Gindl

Verlangt wird permanente Erreichbarkeit natürlich nicht. Ist ja illegal. Vorausgesetzt wird sie aber für die gehobene Karriere schon. Hat ja auch Vorteile, weil die digitale Anwesenheit örtlich flexibel macht und somit auch als Trophäe der Work-Life-Balance gilt. Frauen geben auch in Studien regelmäßig an, von den technischen Möglichkeiten in der sogenannten "Vereinbarkeit" zu profitieren. Nicht zu vergessen, dass wohl wichtig sein muss, wer dauernd gefragt ist - auch im Urlaub -, auch nicht zu vergessen, dass Eitelkeit ebenso 24/7 verfügbar macht wie die Angst um den Job.

"Pech gehabt" reicht nicht

Wer dazusagt, dass es eben zum (oft sehr gut entlohnten) Job von Managern gehört, ohne Pause "connected" zu sein und im Supertempo zu leben, der mag schon recht haben. Aber: Auch die unteren Ränge sind zunehmend in diesem Supertempo-Phänomen mit den elektronischen Grenzbrechern, Entgrenzern gefangen. Und: Gesund ist es für niemanden. Produktiv offenbar auch nicht, weil es mittlerweile Alltagshandlung ist, abends, zu Hause, im Urlaub "endlich einmal in Ruhe zu arbeiten".

Einer Erhebung des Neuroleadership Institute in Los Angeles zufolge geben lediglich zehn Prozent von 6.000 Befragten an, in der Arbeit zum Nachdenken über arbeitstechnische Aufgabenstellungen zu kommen. Das tun sie dann außerhalb des Büros. Noch weniger Zeit für Familie, Freunde, für sich selbst. Noch weniger Schlaf.

Wer soll Stopp sagen?

Statt 20 Stunden ans Fließband "ketten" Vorgesetzte ihre Mitarbeiter an die Erreichbarkeit, an das Nichtabschalten. Wer für welchen Stopp verantwortlich ist, ist Gegenstand der Diskussion, auch Gegenstand von Maßnahmen, etwa solcher, die Mail-Lieferungen an Mitarbeiter via Firmenserver für gewisse Stunden auszusetzen. Führungskräfte natürlich ausgeschlossen. Allein an Selbstverantwortung zu appellieren ist gut gemeint, im System aber kompliziert. 24/7 ist so kaum abzuschaffen.

Körperlicher Schutz im Job funktioniert mittlerweile (in den entwickelten Ländern) ganz gut. Mentaler offenbar nicht, wie die starke Zunahme an psychischen und psychiatrischen Erkrankungen zeigt. 900.000 suchen in Österreich einen Arzt wegen psychischer Probleme auf. Erschöpfung und permanente Überforderung sind großes Thema. Die 24/7-Arbeitsweisen seien für das Gehirn so ungesund bis schädigend wie einseitige Junkfood-Diät, sagt David Rock, Gründer des Neuroleadership Institute und Wegbereiter der Neurowissenschaften in die Führungspraxis.

Sieben Zeiten fürs Hirn

Gemeinsam mit Kollegen hat er - analog zu den mittlerweile so umsatzstarken Ernährungsberatern - die tägliche Menüempfehlung für ein gesundes Gehirn, also für Wohlbefinden, als Ableitung aus den Ergebnissen der Hirnforschung zusammengestellt. Man ignoriere ja gerne die Folgen einseitiger Belastungen, weil sie nicht so schnell sichtbar seien.

Es handelt sich dabei um sieben den Wissenschaftlern zufolge täglich nötige mentale Aktivitäten, die "ausgewogene Hirnnahrung" darstellen.

Wer sich täglich bewusst diesen sieben Aktivitäten widme, ermögliche die optimale Balance im Gehirn, ermögliche die besten inneren Verschaltungen und äußeren Kontakte zur Umwelt. Die Dosis der "Zutaten" dürfe jeweils schwanken und individuell angepasst werden, dazu gibt es keine Vorgaben.

  • Focus Time. Beim zielorientierten Fokussieren auf eine Sache sind wir in einer Herausforderung, die tiefe Verbindungen im Gehirn anlegt.
  • Play Time. Wenn wir Spontaneität und spielerische Kreativität zulassen, dann helfen wir dem Gehirn, neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen anzulegen.
  • Connecting Time. Wenn wir uns mit anderen Menschen verbinden - vorzugsweise in der realen Welt und nicht bloß via Telefon oder Computer -, verstärken wir die Verbindungen verschiedener Hirnareale.
  • Physical Time. Beim Sport, der körperlichen Bewegung wird das Gehirn vielfältig gestärkt.
  • Time-in. Wenn wir in Reflexion gehen und Innenschau betreiben, fördern wir die Integration im Gehirn.
  • Down Time. Wenn wir "nichts" tun und die Gedanken schweifen lassen, dann kann sich das Gehirn wieder aufladen.
  • Sleep Time. Wenn wir dem Gehirn den Schlaf geben, den es braucht, dann verstärken wir das Lernen und ermöglichen Erholung und Verarbeitung der Tageseindrücke. (Karin Bauer, derStandard.at, 29.4.2013)