Karin Knorr Cetina stellt Patente auf Gene infrage.

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Soll es ein Patent auf Gene geben? Die Sozialwissenschafterin Karin Knorr Cetina warf gleich zu Beginn des 21. Ernst-Mach-Forums eine aktuelle Frage auf. Anlass war die Diskussion "Innovation 2.0: Patente oder freies Wissen?", zu der die Österreichische Akademie der Wissenschaften letzte Woche geladen hatte.

Die gebürtige Österreicherin, die an der Uni Konstanz und der University of Chicago forscht, bezieht sich auf den Streit um einen Patentanspruch, der derzeit vor dem Obersten Gerichtshof der USA ausgefochten wird. Ein Unternehmen beansprucht die Exklusivrechte auf einen Krebsanfälligkeitstest, weil es bereits 1998 die Patente auf die krebsauslösenden Gene erworben hat. Bürgerrechtler klagten. Bis Juni soll eine Entscheidung fallen, die auch für die weitere Patentpolitik den Weg weisen soll.

Knorr Cetina hofft, dass in Europa andere Wege gegangen werden. Ihr Vorschlag: ein "International Science Fund", der ermöglichen soll, die Erforschung "jener Güter, die die Allgemeinheit und das menschliche Erbe betreffen", staatlich zu finanzieren, anstatt sie der Privatwirtschaft zu überlassen.

Da die Universitäten zunehmend beginnen würden, ihre Erkenntnisse zu kommerzialisieren, gäbe es einen Konflikt zwischen Forschung und Industrie, sagt Karl-Heinz Leitner vom Austrian Institute of Technology (AIT). "Bisher gibt es hier kaum Patentstreitigkeiten, aber wenn es hart auf hart kommt, zieht die Uni vermutlich den Kürzeren." Der Innovationsforscher sieht in der steigenden Zahl der Patente Einschränkungen für die Wissenschaft. Dies gelte vor allem in Bereichen, wo Grundlagenforschung und Kommerzialisierung verschwimmen, etwa in der Medizin, Pharmazeutik oder Nanotechnologie. "In der Debatte um freies Wissen prallen konträre Interessen aufeinander", erinnert der Jurist Guido Kucsko, der auf geistiges Eigentum spezialisiert ist, an das Grundproblem: "Jemand, der sein Gedankengut in die Außenwelt bringt, verlangt Schutz dafür. Die Allgemeinheit aber hat Interesse an freiem Zugang zum Wissen." Patentierung mit Geheimhaltung gleichzusetzen sei falsch: "Im Gegenteil, es schafft Offenbarung, und andere können darauf aufbauen."

Knorr Cetina sieht eine weitere Gefahr in der totalen Öffnung der Forschung für die Öffentlichkeit: Ob bei sozialwissenschaftlichen Interviews oder in einem naturwissenschaftlichen Labor, wenn "ununterbrochen hingeschaut wird", störe das die Erhebung und beeinflusse etwa die Risikobereitschaft der Forscher. Wissenschaft brauche den geschützten Raum.

Auch wenn die Zahl der Patente wächst, "der zentrale Trend ist die Öffnung des Innovationsprozesses", weiß Leitner aus seiner Forschung; sowohl in der Wirtschaft als auch der Wissenschaft.

Ein Beispiel dafür sitzt mit auf dem Podium: Christian Hirsig ist Mitbegründer von "Atizo", einer Plattform, die sich dem Crowd-sourcing von Ideen verschrieben hat. Hier kann jeder zum "Innovator" werden und seinen Einfall online teilen. Auf der anderen Seite suchen Unternehmen auf der Plattform nach der Weisheit der Masse. "Die meisten guten Ideen fußen auf guten Ideen", sagt Hirsig und kann sich Ähnliches auch für die Forschungslandschaft vorstellen. Wichtig dabei sei nur, dass klare Regeln geschaffen würden.

Online-Uni und Open Data

Nicht nur Forschung, auch universitäre Lehre ist durch das Internet vermehrt publik. "Online Teaching" sei eine noch größere Herausforderung als die Patentfrage, meint Knorr Cetina. "In manchen Bereichen ist das eine demokratische Alternative. Die Forschungsuniversität ist teuer." Sie ist überzeugt, dass es zu einer weiteren Diversifizierung im Uni-Sektor kommen wird.

"Ich bin ein Befürworter von Open Science", betont Leitner. Die Grundlagenforschung werde nach wie vor der Forschungsuni obliegen, aber ein noch viel breiterer Bevölkerungsteil werde im Forschungsprozess beteiligt sein. Stichwort "Open Data": Durch das Benutzen von Smartphones etwa würden sehr viele Daten generiert, die heute schon in der Wissenschaft genutzt würden. "Da ist die Universität im Umbruch." (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 30.4./1.5.2013)