Bei der Grazer Designplattform "Kwirl" ist das Wiener Kollektiv "Mostlikely" zu Gast und präsentiert seine Produktionstechniken und Papierskulpturen.

Foto: Kwirl/Mostlikely

Was in den vergangenen Jahren über den ganzen Erdball an Designfestivals aufgepoppt ist, lässt einen langsam, aber sicher den Überblick verlieren. Das ist aber in diesem Fall nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil, schließlich leisten gerade die internationalen Designfestspiele einen wichtigen Beitrag, das Thema Design einer breiteren Öffentlichkeit nicht nur zugänglich zu machen, sondern dieses in der Kulturlandschaft mitunter stiefmütterlich behandelte Feld den Menschen sogar ein Stück weit mehr ans Herz zu legen.

Also: Festivals gibt es zum Beispiel in London, Berlin, Hongkong, Barcelona und natürlich in Form der Vienna Design Week. Und Helsinki erklärte das vergangene Jahr überhaupt zum Designjahr und freute sich über den Titel Design Hauptstadt der Welt.

"Grenzenlos, rastlos, facettenreich"

Kein ganzes Jahr, aber immerhin einen ganzen Monat gibt sich ab heute Graz unter dem Slogan "grenzenlos, rastlos, facettenreich" dem Thema Design hin und streut dieses dankenswerterweise sehr breit. Die Stadt an der Mur macht das bereits seit 2009 und darf sich zwar nicht mit dem Titel Welthauptstadt schmücken, aber doch immerhin mit dem Zusatz Unesco City of Design. Außer der Landeshauptstadt tun dies unter anderem Peking, Buenos Aires, Montréal, St. Etienne und das japanische Nagoya.

Letztere Stadt ist heuer auch in Graz zu Gast, präsent in erster Linie in der Ausstellung Nagoya Design meets Graz sowie im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Designuniversität Nagoya und der FH Joanneum. 30 japanische und österreichische Design-Studierende haben sich zusammengetan und sich arbeitstechnisch, sagen wir, beschnuppert. Nun werden die Ergebnisse gezeigt.


Nagoya Design Jikatabi Footwear by marimomen

Von weniger weit her reist das Bucharest Design Center an, das eine Produktdesign-Ausstellung bestückt, ebenso wie junge Kreative aus Polen, die ihre Arbeiten unter dem Titel UNPolished zeigen. Einen noch kürzeren Anreiseweg in die Steiermark haben die Macher der Schau Werkzeuge für die Designrevolution, die bereits im Wiener Museumsquartier gezeigt wurde.

Transparente Industrie

Im Rahmen dieses Projekts beschäftigt man sich mit der Frage, wie Designer und Konsumenten der Industrie besser auf die Finger schauen könnten. Diese Ausstellung gibt dem Besucher so einiges zum Denken, aber auch zum Tun mit. Fest nachgedacht hat auf jeden Fall der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel. Um seine durch viele Gazetten gegangenen Hartz-IV-Möbel geht es im Workshop Konstruieren statt Konsumieren.


Hartz-IV Wohnung von Van Bo Le-Mentzel

In Sachen Ausstellungen ist aber noch lange nicht Schluss, so zeigt sich das Thema Interior-Design in der Schau Selected: it's just Design, und auch die Ergebnisse des "NWW (Neue Wiener Werkstätte) Design Awards" werden präsentiert. Im Rahmen dieses Preises waren so prominente Jurymitglieder wie Vito Acconci oder Fabio Novembre an der Siegersuche beteiligt.

Design wird in diesen Wochen aber nicht nur in den Gassen, Lokalen und Ausstellungslocations zum Gesprächsthema, auch im Rahmen der etwas sperrig klingenden Konferenz "European Design Business Dialogue" und den "FH Lecture Days" wird über Design nachgedacht und parliert.

Bei der Konferenz stehen Beispiele im Vordergrund, wie Unternehmen und Organisationen vom richtigen Umgang mit Design profitieren. Auf diesem Gebiet kennen sich unter anderem aus: der Senior Brand Manager von Pfizer, Réka Pozsár, oder der Produktdesigner Thomas Feichtner.

Design für die Ohren

Wie die Umwelt von Design profitieren kann, zeigt Contain me! Das ökologische, gesunde Modulhaus in Form eines Hauses, das komplett nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip aufgebaut ist. Wer es vergessen hat: Das Prinzip beschreibt, einfach gesagt, Produktionstechniken, bei denen keinerlei Müll anfällt. Ebenfalls umwelttechnisch interessant ist die Ausstellung Lost Weave by Jan Kath - Marokkanische Boucherouite Recycling-Teppiche.

Jan Kath wird sogar selbst für ein Podiumsgespräch anreisen, was insofern wert ist, vermeldet zu werden, da es der junge Teppichdesigner aus Deutschland zu einer Art Popstar in einer Szene brachte, die nicht gerade als Spielwiese für Celebretys bekannt ist.

Fixstarter im Rahmen des Designmonats ist auch in diesem Jahr wieder das eigene Designfestival assembly, und mittlerweile zum 13. Male auch Österreichs größtes Festival für elektronische Musik, das Springfestival, sozusagen Design für die Ohren.

In Form der Ausstellungen Schneckenkratzer und Wolkenhaus & Architektierisch sowie der Schau The sweet Spot - Design für Kinder und Werte denkt man in Graz an die Jüngsten, und das ist besonders löblich, denn so schafft man es vielleicht bei künftigen Generationen leichter, klarzumachen, dass es so gut wie kein Fleckchen im Alltag gibt, über das nicht nachgedacht werden sollte. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 03.05.2013)