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Kurt Kotrschal hat sich im Verlauf seiner Forschungen "den Stammbaum nach oben gearbeitet" und ist bei den Wölfen angekommen.

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Nur wenigen Wissenschaftern gelingt es, Forschung auf hohem internationalem Niveau zu betreiben und diese auch publikumswirksam und attraktiv zu präsentieren. Der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen, der mit der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ) und dem "Wolfsforschungszentrum" in Ernstbrunn (NÖ) zwei attraktive verhaltensbiologische Einrichtungen aus- und aufgebaut hat. Die Faszination seines Hauptforschungsobjekts, dem Wolf, kommt ihm bei der Popularisierung sicher zugute. Am Sonntag feiert Kotrschal seinen 60. Geburtstag.

Der Wolf ist für Kotrschal ein "Spiegel für unsere eigene Verfasstheit". Wenn man über die "Conditio Humana besser Bescheid wissen will, arbeitet man besser mit dem Wolf als mit manchem Affen", meinte er, als ihn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres 2010" gekürt hat.

Werdegang

Der am 5. Mai 1953 in Linz geborene Kotrschal hat an der Uni Salzburg Biologie studiert - "weil nichts anderes in Frage kam", wie er unter Hinweis auf sein Interesse an dem Fach betont. Dabei standen am Beginn seiner Karriere noch wenig attraktiv erscheinende Themen im Mittelpunkt: Seine Diplomarbeit (1979) schrieb er über Kälte-Fixierung für die Mikroskopie, seine Doktorarbeit (1981) über die Gehirnstruktur einer Schleimfischart.

Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Kotrschal - unterbrochen von US-Aufenthalten - als Vertragsassistent am Institut für Zoologie der Uni Salzburg und habilitierte sich dort 1987. Zwei Jahre später ging er dann mit einem Schrödinger-Stipendium an die University Colorado (USA). Dort ereilte ihn der Anruf aus der Heimat, ob er nach dem Tod von Konrad Lorenz (1989) nicht die Leitung von dessen Forschungsstelle in Grünau im Almtal übernehmen wolle. Verbunden damit war eine außerordentliche Professur an der Uni Wien, die Kotrschal nach wie vor innehat.

Improvisieren ist Trumpf

Der Ethologe sagte zu und leitet seit mittlerweile mehr als 20 Jahren diese halbprivate, von einem Förderverein unterstützte Einrichtung, die er einmal als "wissenschaftliches Pfadfinderlager" bezeichnet hat und als "Feldstation, wo nicht immer alles perfekt ist und alle improvisationsfreudig sein müssen". Diese Improvisationsfreudigkeit zeigt sich auch im finanziellen Bereich, wo die Wissenschafter in Grünau mit vergleichsweise geringen Basismitteln auskommen müssen.

Dennoch konnten Kotrschal und sein Team mit ihrer Arbeit viel wissenschaftliche und öffentliche Aufmerksamkeit erregen - etwa mit dem spektakulären Flug- und Zugrouten-Unterricht für Waldrappen samt Alpenüberquerung, angeführt von menschlichen Zieheltern im Ultraleicht-Flugzeug. Nicht nur mit diesem Projekt schafften es die Verhaltensforscher um Kotrschal in die TV-Primetime, auch der Aufbau des "Wolf Science Center" in Ernstbrunn wurde in einer dreiteiligen "Universum"-Sendung dokumentiert.

Aus der Not öffentlicher Mittel hat Kotrschal eine Tugend gemacht und in den vergangenen Jahren mehr als drei Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben. Auch beim Wolfsforschungszentrum, das Kotrschal gemeinsam mit Friederike Range und Zsofia Viranyi 2008 "ohne einen Euro angefangen" hat, versucht der Biologe durch Sponsoren und Spenden Geld für die Forschungsarbeiten aufzustellen. Die drei Forscher scheuten dabei selbst vor persönlicher Verschuldung nicht zurück, um das Projekt zu realisieren, entwickeln aber durchaus Kreativität beim Fund-Raising. So kann man etwa gegen Spenden Wolfsgeheul als Klingelton herunterladen oder Managementkurse im Wolfsgehege buchen.

Den tierischen Stammbaum nach oben gearbeitet

Von Fischen über Graugänse und Raben hat sich Kotrschal in den vergangenen Jahren "den Stammbaum nach oben gearbeitet", wie er selbst sagt, und ist nun bei den Wölfen gelandet - "weil Wölfe und Menschen ganz ähnlich organisiert sind". Wie Wölfe würden auch Menschen "sehr nett innerhalb des Clans kooperieren, sind aber sehr hart und grauslich nach außen".

Angetrieben wird Kotrschal von der wissenschaftlichen Neugier, für Hobbys bleibt da keine Zeit. Dafür nimmt er die Popularisierung seiner wissenschaftlichen Arbeit ernst: So hat die von ihm geleitete Forschungsgruppe "Mensch-Tier-Beziehung" der Universität Wien 2012 eine Vortragsreihe über "Highlights der Mensch-Tier-Beziehung" ins Leben gerufen. Sein ebenfalls im Vorjahr erschienenes Buch "Wolf - Hund - Mensch", in dem er die Geschichte der jahrtausendealten Beziehung zwischen Mensch und Wolf bzw. zwischen Mensch und Hund beleuchtet, wurde Anfang dieses Jahres als eines der besten Wissenschaftsbücher 2013 ausgezeichnet. (APA/red, derStandard.at, 4. 5. 2013)