Ein kaltblütiger Technokrat kommt nicht so schnell ins Schwitzen: In " Star Trek Into Darkness" gerät die Freundschaft von Spock (Zachary Quint) zu Captain Kirk ein wenig in die Krise.

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Wien - Unter echten "Trekkies" gilt die Freundschaft zwischen den gegensätzlichen Charakteren Kirk und Spock als zentrale Erzählung der Star Trek-Saga. J. J. Abrams wusste, was ihn erwartete, als man ihm vor fünf Jahren das "Reboot" der Kultserie anbot. Damals war der Markenkern des Raumschiff Enterprise-Franchise schwer beschädigt.

Nicht nur, dass die Star Trek-Idee gemessen an den technischen Errungenschaften der Blockbuster-Neuzeit noch aus dem Pleistozän der Sciencefiction-Unterhaltung stammte. Auch die wuchernde Genealogie mit diversen Serienablegern (The Next Generation, Deep Space Nine, Raumschiff Voyager) sowie der geriatrische Humor der späteren Kinofilme in Originalbesetzung hatten die Freude an der Nostalgie nachhaltig getrübt. Abrams war schlau genug, mit seinem "Reboot" auch das eigentliche Herz der Serie zu reanimieren.

Kirk, der antiautoritäre Heißsporn, und Spock, der kaltblütige Technokrat - das war schon immer ein Wurmloch großer, uneingestandener Gefühle. Star Trek Into Darkness erklärt die Weltraum-"Bromance" nun zum emotionalen Leitthema.

In der Fortsetzung zum triumphalen Prequel erleben Kirk und Spock ihre erste Beziehungskrise. Die leidenschaftslose Indifferenz Spocks sorgt für Verstimmung, dabei hat Kirk seinem Freund und ersten Offizier gerade unter Missachtung aller Sternenflotten-Vorschriften das Leben gerettet. Zum Dank verfasst Spock ("Vulkanier können nicht lügen") einen lückenlosen Bericht, der Kirk das Kommando über sein Schiff kostet. Auch Herzdame Uhura zeigt sich von Spocks sozialer Retardierung zunehmend genervt.

Viel Zeit für zwischenmenschliche Befindlichkeiten bleibt allerdings nicht; das erledigen die Drehbuchautoren gewissermaßen en passant. Ein genetisch hochgezüchteter Superverbrecher (Benedict Cumberbatchs reptilisches Charisma ist wahrlich furchteinflößend) hat mit einem Anschlag die halbe Kommandoebene der Sternenflotte ausgeschaltet. Kirk und seine Crew müssen in Zero Dark Thirty-Manier in klingonisches Hoheitsgebiet eindringen, wo sich der flüchtige Terrorist versteckt. Mit an Bord befinden sich 72 Torpedos, die Chefingenieur Scotty schwere Gewissensbisse bereiten, und die abtrünnige Tochter eines Sternengenerals.

Neue Innerlichkeit

"Das Weltall - unendliche Weiten ..." Unter dem Frontier-Motto durchkreuzte Gene Roddenberrys Enterprise vor vierzig Jahren die Galaxis auf der Suche nach unbekannten Lebensformen. Bei Abrams ist der Entdeckergeist einer neuen Innerlichkeit gewichen, wie sie derzeit so viele Kino- und Superhelden durchleiden. Gleichzeitig forciert Star Trek Into Darkness einen militärischen Duktus, den Abrams, der von seinem Nimbus als Retter des massentauglichen Erzählkinos selbst am allerüberzeugtesten zu sein scheint, noch einmal kritisch zu wenden versucht.

Die Mission gelingt nur halbwegs. Für puristische Geschmäcker zieht der Film eindeutig ein paar Action-Register zu viel: Verfolgungsjagden im Warp-Modus und zu Fuß, Raumschiffe im freien Fall, Weltraumschlachten, Faustkämpfe, Terroranschläge. Abrams spart getreu der Überbietungslogik des Blockbuster-Kinos an nichts. Als einzig ebenbürtiges Motiv verschafft sich Männerfreundschaft im Schlachtgetümmel etwas Geltung.

Star Trek Into Darkness bearbeitet wie sein Vorgänger das sichere Terrain zwischen Nostalgie und Fortschritt. Die erzählerische Konvergenz von Vergangenheit und Zukunft erweist sich dabei als cleveres Kalkül, das die Treue der alten Fans gewährleistet, ohne die Konsolen-Generation zu verprellen. Abrams bedient sich der slicken Benutzeroberflächen des 3-D-Blockbuster-Kinos, aber der symbolische Blick in den Maschinenraum offenbart puren "Steampunk": Das Innenleben der Enterprise erinnert eher an Jules Verne.

Mit diesem Konstrukt dürfte Abrams seine Erfolgsformel für die nächsten Filme gefunden haben. In Star Trek Into Darkness verlaufen die Querverbindungen bis zu einem Klassiker im Star Trek-Kontinuum: Der Zorn des Khan (1982). Irgendwo in dieser Nach-Vergangenheit (die Chronologie von Zeitreisefilmen kann manchmal verwirrend sein) liegt auch der Schlüssel zur Geschichte von Kirk und Spock. Damals mussten sie erkennen, dass wahre Freundschaften unter Männern nicht mit dem Tod enden. In Star Trek Into Darkness wiederholt sich Geschichte, nur unter anderen Vorzeichen. (Andreas Busche, DER STANDARD, 6.5.2013)