Mit dem Fortschreiten des syrischen Bürgerkriegs und zunehmender Verwirrung im Land wächst die Unentschlossenheit des Westens darüber, ob die Opposition bewaffnet werden sollte. Zwar bleibt das Regime von Präsident Bashar al-Assad weiterhin bösartig und tyrannisch, und einige seiner Gegner haben immer noch altruistische Motive, aber der Konflikt kann nicht mehr einfach nur als Kampf zwischen Gut und Böse definiert werden.

Seitdem Extremisten den friedliche Protest 2011 an sich gerissen haben, gibt es keine einheitliche pa­triotische syrische Opposition mehr. Vielmehr sind einige Taktiken der Opposition nun ebenso brutal wie diejenigen des syrischen Regimes.

Einer Schätzung der Vereinten Nationen zufolge gab es in den letzten zwei Kriegsjahren bei den Sicherheitskräften 15.000 Tote, bei der Opposition 10.000 und unter der Zivilbevölkerung 45.000. Die UN werfen militanten Gruppen - die nun die Mehrheit der Kämpfer in Syrien bilden - Mord, Entführung, Folter, Überfälle, Korruption und den Einsatz von Kindersoldaten vor.

Lakhdar Brahimi, der Sonderbotschafter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien, berichtet, dass sich die oppositionellen Kräfte aus 38 Nationalitäten zusammensetzen. Die Mehrheit bilden jetzt jihadistische Kämpfer mit Verbindungen zu Al-Kaida. Das britische Innenministerium warnte, hunderte Muslime britischer und kontinentaleuropäischer Herkunft, die in Syrien gemeinsam mit Al-Kaida-nahen Rebellengruppen kämpfen, könnten nach Hause zurückkehren und dort Terroranschläge verüben.

Tatsächlich ist der Oberste Militärrat extrem islamistisch geprägt, und die von den Rebellen kontrollierten Gegenden in Syrien unterstehen bereits der Scharia (dem islamischen Gesetz).

Vor diesem Hintergrund ist die westliche Idee, Hilfe an bestimmte Teile der Opposition weiter­zuleiten, absurd. Ebenso ist das Konzept der "nicht tödlichen"  Hilfe in Form von Nachtsichtgeräten, medizinischer Ausrüstung oder Schutzkleidung angesichts der bereits bestehenden konventionellen "tödlichen" Hilfe aus den Golfstaaten unrealistisch.

Der Guardian berichtete kürzlich, dass Jordanien Geld aus Saudi-Arabien annimmt, um Waffen direkt an die syrischen Rebellen zu liefern. Die westlichen Befürworter solcher Hilfe, wie Kerry und der britische Außenminister William Hague, müssen erkennen, dass diese Lieferkanäle nicht zwischen unterschiedlichen Oppositionsgruppen unterscheiden.

Wichtiger noch ist, dass die westlichen Politiker die Gefahr der Parteinahme verstehen. Und dies bedeutet, dass sie aufhören müssen, die Lektionen des Einmarschs in Afghanistan in den 1980ern zu ­ignorieren, der zur Machtergreifung der Taliban beigetragen hat, und diejenigen der Intervention in Libyen von 2011 mit der nachfolgenden schwachen und gespaltenen Regierung, blockiert durch den Machtkampf gegen islamistische Militärs.

Frankreich, die USA und Großbritannien haben die Syrische Nationalkoalition (SNK) als Übergangsregierung des Landes anerkannt, obwohl Berichten zufolge zwei Drittel ihrer 263 Gründer mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehen. Der scheidende Anführer der Koalition, Moaz al-Khatib, hat die Entscheidung der USA, Jabhat al-Nusra nicht zu unterstützen, öffentlich kritisiert - ebenso wie der Hauptunterstützer der SNK, die Türkei.

Vorrang für Diplomatie

Es ist bestenfalls ironisch, dass sich die demokratisch gewählten Regierungen des Westens freudig mit Mitgliedern der Muslimbruderschaft abgeben, aber die Zusammenarbeit mit liberaleren Gruppen verweigern. Unsere Ansichten sind viel zu liberal für die SNK und ihren Hauptunterstützer, die Türkei, deren Außenminister behauptete, der Jihad in Syrien könne nicht mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden. Warnungen wie die von Alain Chouet, dem ehemaligen Leiter des französischen Generaldirektorats für externe Sicherheit in Damaskus, der kürzlich die französischen Waffenlieferungen an die Rebellen als "völlig illegal"  bezeichnete und beschrieb, wie "die jihadistischen Milizen alle anderen übernommen haben", werden nicht beachtet.

Um die Aussichten auf Frieden und Demokratie in Syrien zu verbessern, muss mit Diplomatie begonnen werden. In Demokratien geht es um Repräsentation, und diese sollte die gesamte Bandbreite der syrischen Bevölkerung umfassen. Alle Gruppen, die an der Zukunft des Landes interessiert sind - einschließlich der Regierung, nationaler Oppositionsgruppen und der Bürger im Exil -, sollten eingeladen werden, an offiziellen Gesprächen teilzunehmen. Und um gleiche Verhältnisse zu schaffen, muss erkannt werden, dass die Arabische Liga (die den syrischen Sitz bereits an die von der Muslimbruderschaft kontrollierte SNK vergeben hat) die autokratischen Staaten repräsentiert, die in Syrien Sektierertum und Extremismus fördern.

Während dieses Vorgangs müssen die westlichen Regierungen aufhören, Oppositionsgruppen mit Geld oder anderen Hilfsleistungen zu versorgen, und Druck auf die Türkei und die Golfstaaten ausüben, damit diese die Unterstützung von Extremisten beenden. Eventuelle Finanzhilfen sollten nur dazu dienen, über Organisationen wie das Rote Kreuz oder Unicef Zivilisten mit medizinischer Hilfe zu versorgen, oder in einen Fonds zum Wiederaufbau nach dem Krieg fließen.

Einige Staatschefs scheinen immerhin die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes schon erkannt zu haben. Der jüngste Anschlag der Opposition auf eine Moschee in Damaskus, bei dem ein regierungstreuer muslimischer Geistlicher getötet wurde, wurde vom UN-Sicherheitsrat verurteilt. US-Präsident Obama hat kürzlich seine Besorgnis darüber ausgedrückt, Syrien könnte "eine Enklave für Extremisten werden, da Extremisten im Chaos gedeihen".

Aber in Wirklichkeit ist Syrien bereits eine Enklave des Extremismus. Militärische Hilfe führt höchstens dazu, dass sich die Katastrophe in eine Apokalypse verwandelt. (Ribal al-Assad, DER STANDARD, 6.5.2013, © Project Syndicate, aus dem Englischen von Harald Eckhoff)