Die EU-Staaten und ihre Institutionen haben ein seltenes Talent, sich bei global wichtigen politischen und wirtschaftlichen Fragen nicht als eine entschlossene Gemeinschaft zu präsentieren, die die Welt ein Stück weit gerechter und besser machen will. Sie schaffen es in entscheidenden Momenten wegen Auffassungsunterschieden in den Details, meist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als ein kleinlich streitender Haufen dazustehen.

Ob es um Reduzierung des Energieverbrauchs, Sicherheitspolitik im Nahen Osten oder die währungspolitische Behauptung des Euro gegenüber den USA und China geht: Die Welt kann sich darauf verlassen, dass Europa ihr selten klare Orientierung bietet.

So ist das aktuell gerade bei den Versuchen, der Steuerflucht, dem Betrug, den Schwarzhändlern und Mafiapaten global den Kampf anzusagen. Ein solcher ist - nicht nur in Europa, sondern auch in den USA - überlebensnotwendig geworden, weil Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise viele Staaten fast in die Knie zwingen, die politischen Handlungsmöglichkeiten extrem einschränken. Also suchen die entwickelten Länder der G-20 unter der Führungsmacht USA seit längerem nach Wegen, wie man zu mehr Einnahmen kommt.

Härterer Zugriff auf jene, die der Gesellschaft ihre Steuerleistungen durch Tricks verweigern, ist da nur logisch. Denn Steuererhöhungen für die Bürger sind überall unbeliebt. Das ist nur einer der Hintergründe, warum die USA begonnen haben, mit viel Druck auf die Partner auf höhere Standards, gläserne Konten, den berühmten automatischen Austausch von Kontodaten zu drängen. Mit viel Wortgeklingel wurde das - angefeuert nicht zuletzt von den Enthüllungen über Steuerparadiese durch das Offshore-Leaks-Projekt - von den fünf großen EU-Ländern positiv erwidert: Sie wollten "Pilotprojekte" starten, Vorreiter sein eines weltweiten Standards, nach dem alle Arten von Kapitaleinkünften ordentlich zu besteuern seien und niemand sich hinter anonymen Konstrukten verstecken könne.

Wie die mehr als traurige Praxis aussieht, ließ sich beim jüngsten Treffen der EU-Finanzminister trefflich beobachten: Sie verschoben zum x-ten Mal die Vorschläge zur Eindämmung des Mehrwertsteuerbetruges, Machenschaften mit Vorsteuerabzug quer durch die EU, bei denen Kriminelle Milliarden scheffeln.

Und sie konnten sich - nach Jahren des Streits - wieder einmal nicht darauf einigen, eine geltende EU-Zinsrichtlinie deutlich auszuweiten, wie das die Kommission will. Das wäre dringend nötig, denn es ist lächerlich, dass in der EU seit zehn Jahren nur Steuervermeidung bei Zinsgewinnen natürlicher Personen mittels Datenaustauschs quer über die Grenzen hinweg verfolgt wird, viele andere Kapitalgewinne (auch in den europäischen Drittländern) aber davon völlig unberührt bleiben. So wie es auch nicht gelingt, die lange angekündigte Finanztransaktionssteuer endlich umzusetzen.

Es liegt der Verdacht nahe, dass es den EU-Regierungen gar nicht ernst ist beim Kampf gegen Steuerbetrug. Das Einzige, worauf man sich derzeit jenseits der großen Worte einigen kann, ist ein Mandat zur Verhandlung mit der (wichtigen) Schweiz und anderen kleinen Drittländern - ohne Glaubwürdigkeit im Inneren. Schwach. Der Spielmacher bleiben die USA. Und Österreich? Spielt keine Rolle. Die Regierung führte vor, dass man Zerstrittenheit national noch steigern kann. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 15.5.2013)