Die Synagoge in Malmö für ihre etwa 600 Mitglieder. Insgesamt wohnen geschätzte 1.500 Juden in der Stadt. Der Migrationsanteil in der ehemaligen Industriestadt beträgt etwa 35 Prozent.

Foto: Marco Schreuder

Jehoshua Kaufman im Gespräch.

Foto: Marco Schreuder

Am Donnerstag wird das zweite Semifinale des diesjährigen Eurovision Song Contests über die Bühne gehen. Eines der teilnehmenden Länder ist Israel mit Sängerin Moran Mazor, die hier in Malmö mit ihrer unglaublich starken Stimme und einer Nana Mouskouri-Brille zu überzeugen weiß. Dagegen wird demonstriert.

Israel beim Song Contest

Israels Teilnahme beim Gesangswettbewerb wurde seit ihrem ersten Auftreten 1973 immer wieder diskutiert. 1980 nahm Marokko beim Song Contest teil, der in Den Haag stattfand, obwohl Israel das Jahr zuvor zum zweiten Mal in Folge gewinnen konnte. Da der Bewerb aber an einem Feiertag stattfand, pausierte Israel ein Jahr. Marokko nutzte die Chance, kehrte aber nie wieder zurück. 2005 wollte der Libanon teilnehmen, hatte bereits einen Song ausgewählt, wollte aber während der Live-Übertragung den israelischen Beitrag ausblenden. Die EBU lehnte das Ansinnen ab. Der Libanon zog sich wieder zurück.

Auch innenpolitisch sorgten israelische Beiträge immer wieder für Zündstoff. 1998 gewann Israel zum dritten - und bislang letzten Mal - den Bewerb mit der transsexuellen Sängerin Dana International und ihrem Song "Diva". Konservative Kreise in Israel waren entsetzt. Die Sängerin sorgte aber für einen Boom in ihrem Land. Die lesbisch-schwule Szene Tel Avivs ist seither selbstbewusst und überall präsent.

Antisemitismus in Malmö

Die Teilnahme Israels wird auch in Malmö heiß diskutiert. Donnerstag wird eine Demonstration gegen die Teilnahme Israels stattfinden. Aufgerufen wird dazu von palästinensischen Gruppen und Gemeinderat Daniel Sejstrajcic von der oppositionellen Vänsterpartiet (Linkspartei), Vorsitzender des Malmöer Kulturausschusses.

Jehoshua Kaufman, Psychotherapeut und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Malmö, zeigt sich darüber besorgt: "Eigentlich ist das multikulturelle Leben in Malmö recht entspannt. Wir haben aber Probleme mit radikalen arabischen Jugendlichen. Die machen Probleme bis sie ungefähr 25 Jahre alt sind, dann haben sie wieder andere Sorgen. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde werden oft bespuckt und beschimpft. Zu körperlichen Übergriffen kommt es aber selten."

Voriges Jahr geriet Malmö in die Schlagzeilen, als eine Brandbombe gegen das Jüdische Kulturzentrum geworfen wurde. Kaufman: "Die Bombe war selbst gebastelt. Aber sie sorgte schon für Angst. Immerhin befindet sich dort ein Kindergarten. Eltern hatten plötzlich Angst ihre Kinder dorthin zu bringen. Die Jüdische Gemeinde in Malmö fühlt sich attackiert. Das ist nicht gut."

Solidarität empfing die Jüdische Gemeinde von allen Seiten. Muslimische Gemeinden drückten ihre Solidarität aus und bedauerten den Zwischenfall, es gab Emails von allen politischen Seiten. Aber das Klima ist zunehmend vergiftet, berichtet Jehoshua Kaufman: "Das entspannte Miteinander endet wo das Judentum sichtbar wird. Entspannt ist es nur, wenn man sein Judentum versteckt. Es endet auch, wenn man über Israel und den Nahen Osten diskutiert. Die Diskussionen hier sind geradezu irrational." Und etwas traurig fügt er hinzu: "Die Jüdische Gemeinde war eigentlich immer recht links orientiert. Die Linke in Schweden ist aber unisono antiisraelisch geworden, seit Göran Persson nicht mehr Ministerpräsident ist. Der war noch ausgewogen. Früher verteilten Linksparteien noch T-Shirts mit dem Aufdruck 'Free Palestine'", berichtet Kaufman und ergänzt: "Das können sie ja auch und ist freie Meinungsäußerung. Mittlerweile steht aber auf den T-Shirts 'Burn Israel Burn'. Das ist schon etwas ganz anderes!"

Kaufman bezeichnet das als puren Antisemitismus: "Man suchte in der Geschichte immer einen Grund, um Juden zu hassen. Früher war es Brunnenvergiftung, der Kapitalismus, jetzt ist es Israel. Und man demonstriert jeden Samstag gegen Israel, auch wenn in Syrien Tausende Menschen sterben oder woanders noch blutigere Kriege stattfinden."

Ob Kaufman am Donnerstag für Israel anrufen werde, frage ich ihn. "Das ist möglich, aber ich mag den dänischen Beitrag. Ich werde beim Finale wohl für diesen Song abstimmen", zeigt er sich ganz und gar schwedisch. Außerdem liebe er den Bewerb: "2010 fuhr ich mit meinen Kindern nach Oslo. Die lieben den Song Contest auch. Es ist doch etwas Wunderbares! Da treten Länder gegeneinander an, ohne dass vorher oder nachher gesoffen und geprügelt wird", so Kaufman.

Kippa-Wanderung

Bevor am Samstag aber das Finale in der Malmö Arena über die Bühne geht, organisiert Kaufman für die etwa 1500 Juden und Jüdinnen der Stadt noch die "Kippapromenaden", eine Kippa-Wanderung. "Wir machen das etwa alle sechs Wochen, um auf den zunehmenden Antisemitismus aufmerksam zu machen."

Als wir unser Gespräch in der traditionsreichen Malmöer Konditorei "Hollandia" beendeten und ich mich von Kaufman verabschiedete, kam ein Mann auf mich zu und sagte: "Entschuldigen Sie, ich habe ihr Gespräch mitgehört. Ich bin polnischer Jude und lebe hier seit langem. Ich gehe nicht bei der Kippa Wanderung mit, mache mir aber auch Sorgen. Das Problem in dieser Stadt lässt sich auf zwei Punkte reduzieren. Erstens: Viele arabische Jugendliche bekommen im Internet und im Fernsehen nur noch einseitige Berichterstattung mit und informieren sich nicht von mehreren Seiten. Das vergiftet jede Diskussion. Zweitens: Die Linke Schwedens hat in ihrem Kampf gegen Ungleichheit in der Gesellschaft und gegen den Kapitalismus total versagt. Dass einzige, was ihr blieb, ist ihre antiimperialistische Rhetorik gegen die USA und Israel."

Bombenalarm

Als die israelische Delegation in Malmö ankam, gab es in ihrem Hotel Bombenalarm, die glücklicherweise ein blinder Alarm war. Auf ihrer Pressekonferenz betonten die Israeli, sie fühlen sich in Malmö willkommen und sicher. Sie würden zudem nicht die israelische Regierung, sondern einfach Israel repräsentieren. Und angesprochen auf die geplante Anti-Israel Demonstration meinte Sängerin Moran Mazor: "Die sollen einfach mal mit uns reden. ich bin bereit dazu." (Marco Schreuder, derStandard.at, 15.5.2013)