Seine Behauptung, dass alle bettelnden Kinder Roma seien, hat dem Sozialpädagogen Norbert Ceipek Kritik eingebracht.

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STANDARD: Wie lief das Gespräch mit Stadtrat Oxonitsch?

Ceipek: Es war relativ angenehm. Der Herr Schadauer von der Gewerkschaft wurde von ihm gerügt, dass es ein Ungleichgewicht gebe, weil ein Gewerkschafter alles sagen und schreiben dürfe, wonach ihm sei, aber ich mich als Angestellter der Stadt und dem Dienstrecht Unterworfener nicht öffentlich gegen die Rassismusvorwürfe wehren durfte. Oxonitsch hat um künftige Zurückhaltung gebeten.

STANDARD: Hat Oxonitsch mit Ihnen über den Rassismusvorwurf gesprochen?

Ceipek: Er hat klargemacht, dass er mich nicht für einen Rassisten hält. Das hat mich sehr beruhigt, denn vorher hat niemand das Gespräch mit mir gesucht. Jetzt endlich kommt etwas in Gang, und ich hoffe, es wird auf einer sachlichen Ebene diskutiert. Auch der Leiter der MA 11 hat via Intranet verkündet, dass er meine Arbeit schätzt und die Reaktion der Gewerkschaft auf meine Aussagen für völlig überzogen hält.

STANDARD: Was soll denn diskutiert werden?

Ceipek: Diese spezielle Problematik, die es für Roma-Kinder gibt. Mag sein, dass die eine oder andere Wortwahl von mir in diesem Zusammenhang nicht glücklich gewesen ist - aber inhaltlich stehe ich dazu. Es ist ein Fakt: Wenn Kinder zum Betteln oder zum Taschendiebstahl in "westliche" Länder geschickt werden, dann entstammen sie dieser Ethnie. Alle Kinder, die je aus diesen Gründen in die "Drehscheibe" gekommen sind, haben ausnahmslos dieser Ethnie angehört.

STANDARD: Die Sozialsprecherin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, sagt, genau diese undifferenzierte Sichtweise Ihrerseits empfinde sie als problematisch. Kinderhandel sei kein Roma-Problem.

Ceipek: Ich stimme ihr zu, wenn sie das Problem von Kinderhandel etwa zum Zweck der Prostitution anspricht. Da ist die Situation noch unübersichtlicher. Aber wenn es um Taschendiebstahl und Bettelei geht, hat sie unrecht. In Amsterdam wurde vor kurzem eine EU-Studie vorgestellt, die die Situation in Polen, Rumänien und den Niederlanden untersuchte.

Das Ergebnis: 98 Prozent der Fälle von kindlichem Taschendiebstahl und illegaler Bettelei sind der Roma-Ethnie zuzuordnen. Und noch einmal: Diese Kinder sind die Ärmsten überhaupt, sie sind Opfer, um die wir uns mit aller Kraft kümmern müssen.

STANDARD: Sie haben auch kritisiert, dass afghanische Kinder "vorgeschickt" würden, um Asyl für ihre Familien zu bekommen. Auch hier gab es Kritik, dass Sie ein Menschenrecht einschränken wollten.

Ceipek: Vielleicht habe ich mich hier unklar ausgedrückt. Ich stehe zum Recht auf Familienzusammenführung. Ich wollte nur ansprechen, dass, seit sich unter Schleppern herumgesprochen hat, dass es hier Altersfeststellungen bei Asylwerbern gibt, sie den Eltern tatsächlich empfehlen, ihre jüngsten Kinder in den Westen zu schicken.

Die Schlepper machen den Eltern weis, dass die Kinder hier gut versorgt würden. Tatsächlich stehen sie unter einem enormen seelischen Druck, an dem sie kaputtgehen. Selbstverletzungen sind kein Einzelfall. Diese Krux wollte ich beschreiben.

STANDARD: Warum hat die Aufregung um Ihre Interview-Aussagen so lange gedauert? Das Interview im STANDARD erschien Ende März, der "FAZ"-Artikel zur selben Problematik noch früher.

Ceipek: Die öffentliche Erklärung des Berufsgruppenausschusses war ja nur die Spitze, auf die dann die Kollegenschaft auch sehr negativ reagiert hat. Dem ging ein internes Schreiben des SPÖ-Gewerkschafters Georg Dimitz voraus, in dem dieser Stadtrat Oxonitsch "dringendst" zu einer "offiziellen Gegendarstellung" auffordert.

Dimitz schreibt darin, er werde von deutschen Kollegen mit der "einhelligen Frage, 'was wir für Rassisten am Wiener Jugendamt haben', konfrontiert", und er unterstellt mir, dass ich mir für mein "Tun in der Sozialpädagogik Orden von korrupten Ministern aus Rumänien und Polizeiministerinnen aus Österreich verleihen" lasse.

Das hat mich zwar getroffen, aber ich habe nicht darauf reagiert. Daraufhin hat Herr Dimitz dann offenbar den Berufsgruppenausschuss, dem er angehört, genötigt, etwas gegen mich zu unternehmen. Der Ausschuss steht jetzt im Schussfeld der Kritik, und Herr Dimitz im Hintergrund ist fein heraus.

STANDARD: Im derStandard.at-Forum wurde - offenbar von anonymen Insidern - spekuliert, Sie sollten in Pension geschickt werden, weil Sie zu unbequem seien ... Haben Sie auch den Eindruck?

Ceipek: Nein, das glaube ich nicht. Das bestimme ich hoffentlich immer noch selbst, wann ich in Pension gehe. Und solange ich das Gefühl habe, ich kann für Kinder etwas tun, werde ich bleiben. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 16.5.2013)