In den letzten Monaten sind von Norbert Ceipek zwei Interviews erschienen. Das erste in der Frankfurter Allgemeinen ("Elend als Geschäftsmodell", 24. 2.), das zweite im Standard (30. 3.). In beiden Interviews betont er, dass im Bereich des Kinderhandels sowohl die Täter als auch die Opfer überwiegend Roma/Romnja sind. Diese Problematik zu benennen ist grundsätzlich nichts Schlechtes, die Frage ist nur, wie dies passiert. Besonders in der FAZ spricht Ceipek in verallgemeinernder Weise über "Roma-Clans", wodurch der Eindruck entsteht, alle Roma-Familien in Rumänien wären in solchen "Clans" organisiert. Drastisch erzählt er von extremem Reichtum auf der einen Seite und vom Elend auf der anderen. Diese Ungleichheit gibt es - aber wieso wird bei Roma/Romnija immer angenommen, sie wären über kriminelle Aktivitäten reich geworden? Vielleicht weil es nicht in das stereotype Bild von den Roma-Elendssiedlungen im "Osten" passt? Auch Roma und Romnija sind quer durch alle sozialen Schichten vertreten und z. B. auch als Ärzte, Sozialarbeiter oder in anderen Berufen erfolgreich tätig. Sie aber werden nicht als Roma wahrgenommen.

Für uns ist insbesondere die Behauptung, dass die Eltern ihren Kindern ausreden wollen, in die Schule zu gehen, da Kinder, die Geld verdienen bei "den Roma" höchsten Respekt genießen, nicht nachvollziehbar. Die Gründe für Schulabbrüche liegen anderswo. Rassistische Übergriffe von Lehrern und Mitschülern und strukturelle Diskriminierung sind eben nicht bildungsfördernd. Oder würden Sie sich gerne jeden Tag beschimpfen lassen?

Welche Folgen hat die Aussage, dass Täter und Opfer von Kinderhandel vorwiegend Roma/Romnja sind? Ceipek hat als Experte in Österreich und Europa großen Einfluss, auch auf die Behörden und die Polizei. Führt diese Verallgemeinerung nicht unweigerlich dazu, dass die Polizei Täter und Opfer nur noch in den Roma-Communitys sucht? Bringt uns "ethnic profiling" in der Bekämpfung des Kinderhandels wirklich weiter? Dass die Polizei in Österreich für Solches zu haben ist, zeigt der Skandal um den Kalender des OÖ-Seniorenbundes: Die Senioren wurden vor dem " Enkel-Neffen-Trick" gewarnt, als Tätergruppe Roma genannt. Damit nicht genug: "Diese Volksgruppe handelt sehr skrupellos und beutet ihre Opfer oft bis zur wirtschaftlichen Vernichtung ihrer Existenz aus." Der Text stammt von einem Polizeibeamten ...

Mehr als die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe haben die Opfer von Kinder- und Menschenhandel wohl eines gemeinsam: Armut. Würde es nicht mehr bringen, diesen Aspekt zu betonen? Besonders in Rumänien wird versucht, sämtliche "Missstände" als Probleme der Roma darzustellen und die Mehrheit als Opfer einer Minderheit zu präsentieren. Bei diesem Spiel sollten österreichische Behörden nicht mitspielen.

Es geht nicht darum, Probleme zu verleugnen, sondern sie zu benennen und Lösungen zu finden. Das Thema Menschenhandel gehört ebenso zu diesen Problemen wie die ständigen Verallgemeinerungen den Medien, die den alltäglichen Rassismus noch verstärken. Wir haben daher die MA 11 zu einer Diskussion über Probleme zwischen der Jugendwohlfahrt und Roma-Familien eingeladen. Dieses Dialogangebot gilt für alle, die zur Abwechslung vielleicht einmal gerne mit Roma reden würden, anstatt über sie zu sprechen oder zu schreiben. (Ferry Janoska, DER STANDARD, 16.5.2013)